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Nach der Biographie:

 

Zu: Shakespeares Töchter:

Inhalt: Mit drei Frauengestalten aus Shakespeares Stücken beschäftigen sich die drei Novellen: die eine ist Jessica, die verwöhnte Tochter des Kaufmanns Schalam (Shylock) von Venedig, die ein trauriges Schicksal erfährt, als sie sich in einen venezianischen Gecken verliebt, der ihr die Konversion und die Ehe verspricht. Die zweite ist eine fiktive Schwester der Julia namens Anna aus Romeo und Julia, die den Schatten ihrer großen Schwester auch Jahre nach den blutigen Ereignissen in ihrer Familie nicht abschütteln kann. Schließlich eine Schauspielerin, die ihr Leben lang Ophelia aus Hamlet verkörperte und mit dieser Figur so verwachsen ist, daß sie sich am Ende ihres Lebens in einem Zustand der Verwirrung selbst für Ophelia hält; sie zieht ein Résumé ihrer lebenslangen Beziehung zu Hamlet.

Leseprobe:

Die Tage vergingen, und jeder Tag war mir, als ob ich angekettet wäre in einem Flammengarten.

Er kam nicht zu mir, er fragte nicht nach mir. Dann aber geschah es, daß er mit seinen Kumpanen quer über den Hof auf mich zuschritt - geradenwegs. Doch schien er mich erst im letzten Augenblick zu erkennen. Er griff mich bei der Hand und hielt mich fest, dann lehnte er sich zurück, so lang sein Arm war, und sagte: "Sieh da, Ophelia! Sie lebt noch immer. - Nun, wie befindet sich das Fräulein im Staate Dänemark?" - Ich wußte nicht, was diese Frage sollte...da drehte er mich um zu seinen Kumpanen und rief: "Ist sie nicht doch ein niedlich Kind? - Sie wars, die ich einmal zu meiner Königin machen wollte." Und lachte dabei - und alle lachten mit, als wäre das der größte Spaß. Ein Mann darf ein Mädchen kränken. Wer nimmt ihm das übel? - Doch wenn er sich selbst zum Narren macht, dann - dann stutzt die Welt.

Die Rezension aus "Die Zeit" (09.12.1999) lautet wie folgt:

Arbeit am Mythos Shakespeare. G. Fussenegger begibt sich in Gefahr und kommt nicht darin um / Von Dieter Borchmeyer

"Die Damen und Herren des Publikums haben ihren Obolus bezahlt, um sich ein paar Stunden an Schrecknissen zu weiden. Zuletzt aber, wenn sie nach Hause gehen, erwarten sie freigesprochen zu werden von allen Erschütterungen - und Trost zu erhalten für ihr eigenes elendes Leben. Katharsis nanntens die Alten." So habe Shakespeare zu ihr gesagt, fantasiert die berühmte alte Kammerschauspielerin, welche sich mit der Rolle der Ophelia so sehr identifiziert hat, daß sie schließlich wähnt, selber Ophelia zu sein. Wahnsinn oder Gedankenspiel oder beides zugleich.

Mit der Katharsis will sich diese Ophelia indessen nicht abfinden, und so erzählt sie Shakespeares "Hamlet" neu - "eine ganz andere Geschichte". Da ist ein junger Revolutionär, der sein Volk beglücken möchte, dessen hochgemute Ziele aber in einer korrupten Welt durch Feind wie Freund zum Verbrecherischen verbogen werden und der am Ende zerrüttet zusehen muß, wie ein Usurpator, Fortinbras, die Reste seines menschheitsbeglückenden Werks vernichtet.

Die vom Wahn gezeichnete Tagträumerin begehrt auch gegen die Katharsis des "Kaufmann von Venedig" und des "Romeos" auf. Konnte die Versöhnung der blutig verfeindeten Familien über den Leichen der Liebenden etwas anderes als ein bald verlöschender Schein sein? Steckt im "Kaufmann von Venedig" nicht ein so abgrundtiefes Elend, daß der Versuch eines Komödien-Endes zum Scheitern verurteilt ist?

Auch diese beiden Stücke werden in dem Novellenband von Gertrud Fussenegger gegen den Strich erzählt, nicht wie in der letzten Novelle "Ich bin Ophelia" als Wahn- oder Traumgebilde, sondern als wirkliche Geschichten eines anonymen Erzählers. "Jessica" folgt dem Handlungsablauf des "Kaufmann von Venedig" bis ins Detail, aber diese Handlung mit ihren schrecklichen und doch durch märchenhaft-glückliche Momente versöhnten Zügen wird auf einen grauenhaften Hintergrund projiziert, vor dem sich alles Poetisch-Verklärende als bloßer Bühnenzauber entlarvt.

Dieser Hintergrund aber ist die Leidensgeschichte des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Judentums. Von ihr her wird die Geschichte von Jessica, der Tochter des Juden Shylock, neu erzählt und die Sympathielenkung des Shakespeareschen Stücks in tragischer Parodie außer Kraft gesetzt. Dabei entfaltet sich ein kontrastreiches Bild der venezianischen Renaissance, der prachvollen Paläste und Feste der Lagunenstadt auf der einen Seite - und ihrer Kehrseite: des Ghettos mit seinen in brutaler Enge zusammengepferchten und übereinandergetürmten Wohnlichkeiten, dessen verschilfte Umgebung Schwärme von Moskitos herbeizieht und wo die Strömungen der Lagune den Schmutz und Abfall der Stadt vorbeitreiben.

Hier ist Schalam (Shylock) mit seiner Tochter zu Hause. Dreimal mit seiner Familie verfolgt und vertrieben - aus Spanien, aus Portugal, aus Genua -, hat der Verwaiste sich endlich im venezianischen Ghetto einnisten können und ist durch sein Geschick zu beträchtlichem Wohlstand gelangt. Jessica, bei deren Geburt seine Frau starb, ist sein einziger Lebensinhalt. Auf sie richten sich all seine Träume von einem höheren Leben, und das haltlos verwöhnte Kind wird zu einem eitlen Fratz, aber auch zu einer belle juive, die den Augen der venezianischen Gecken nicht entgeht. Einer von ihnen, Lorenzo, gaukelt ihr vor, sie taufen zu lassen und zu seiner Gemahlin zu machen, und nach ihrer räuberischen Flucht aus dem Vaterhaus wird sie im Hause der durchtriebenen Portia, in einer Maskerade während des venezianischen Karnevals, zum Schein getauft und mit Lorenzo getraut. Er aber wirft die Geschändete, sobald er sie sexuell genug genossen hat, nach dem Ende des Maskenfestes wie eine sattgespielte Puppe fort.

Schalam - dessen blutiger Vertrag mit Antonio nur ein von dem Kaufmann diktierter Scherz ist - wird enteignet und aus der Stadt verbannt, als er mit seinem Dolch einen Fluch auf Venedig an das Portal des Markusdomes heftet. Auch Jessica wird von ihrer "Beschützerin" Portia aus dem Hause geworfen. Im Morgengrauen verlassen Schalam und Jessica, ohne voneinander zu wissen, in entgegengesetzter Richtung die Stadt. "Keins nahm das andere wahr." Mit einer namenlosen Trauer schließt die Novelle, die dem Leser das Herz zusammenzieht.

Die durch ihre Gestaltenfülle, sprachliche Prägnanz und untergründige Mitleidsemphase fesselnde und erschütternde Novelle ruft die Erinnerung an eine der bedeutendsten Erzählungen jüdischer Leidensgeschichte in der deutschen Literatur wach, die ihr Vorbild gewesen sein mag und der sie sich an die Seite stellen darf: Heinrich Heines "Rabbi von Bacharach". Auch die Idee, Shakespeares Frauengestalten nachzuspüren, ihre Schicksale fortzuspinnen, läßt an Heine denken: an seinen Essay "Shakespeares Mädchen und Frauen".

"Julias Schwester", die zweite der drei Shakespeare-Novellen, die vom Umfang her schon zum Roman tendiert, setzt erst nach dem Ende der Handlung von "Romeo und Julia" ein und entfaltet ein neues Schicksal, dasjenige Annas, der vernachlässigten Schwester Julias, auf deren Leben ständig der Schatten der zur Liebesikone mystifizierten Geliebten Romeos lastet. Nach dem Tode des Paares flackert trotz kurzer, scheinhafter Versöhnung der Hass der Häuser Capulet und Montagu neu auf. Julias Vater schleift die Amme wegen ihrer Begünstigung des Liebesverhältnisses zu Tode. Die Kirche besteht auf der Entfernung der Selbstmörder-Leichname aus geweihter Erde und straft Pater Lorenzo, der die Liebenden heimlich getraut hat, mit der Strenge des Kirchenrechts. Voneinander getrennt werden die in Bettücher eingerollten verkrümmten Leichen Romeos und Julias auf den Gütern der Familien neu bestattet.

Der Regent von Verona will den für das Gemeinwesen schädlichen Streit der beiden verfeindeten Häuser durch eine Zwangsehe zwischen Anna und einem Montagu schlichten. Um das zu verhindern, wird Julias ungeliebte Schwester von ihrem Vater in ein gottverlassenes Kastell gebracht. Unter der verschroben-asketischen Fuchtel der Turmherrin führt sie ein trostloses Dasein, bis sich ein Bänkelsänger und Improvisationskünstler als falscher Pater bei der bigotten Herrin einschleicht. Anna verliebt sich in den Artisten - ein tragischer Außenseiter wie sie selber -, aber auch in dieser Liebe wird sie den Schatten Julias nicht los. Sie muß erleben, daß ihre eigenen erotischen Erfahrungen von dem Geliebten in die Geschichte Romeos und Julias übertragen und nach England exportiert werden, wo ein Größerer diese Geschichte zu ihrer poetischen Blüte reifen lassen wird. Annas eigenes Leben verschwindet in dem ihrer toten Schwester.

Das alles wird mit einer Spannung erzählt, die den Leser unaufhörlich in Bann zieht. Zugleich aber bewegen sich "Julias Schwester" wie "Jessica" in einem exakt recherchierten historischen Ambiente. Daß einer 87-jährigen Autorin bei ihrem tollkühnen Unternehmen, sich erzählerisch mit dem Größten der Großen zu messen - Arbeit am Mythos Shakespeare -, ein solcher epischer Figuren- und Farbenreichtum und vor allem so viel erzählerisches Temperament zu Gebote stehen, ist bewundernswert. Von den symbolischen Abstraktionen und gedämpften Farben eines "Altersstils" ist da nichts zu spüren. In Gertrud Fusseneggers Shakespeare-Novellen erlebt die lange totgesagte, in den obsoleten Schatten der Kurzgeschichte verdrängte Gattung noch einmal einen späten Triumph.

Zum selben Werk schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (24.01.2000):

Wenn ihr uns stecht

Dann bluten wir: Drei Erzählungen von Gertrud Fussenegger / Egon Schwarz

Drei Erzählungen enthält dieses Buch, drei komplexe Frauenporträts, "Kontrafakturen" zu Shakespeares beliebtesten Stücken....Handlung, Personal und, was noch schwerer wiegt, die Atmosphäre dieser Dramen werden mit großem schriftstellerischem Geschick minutiös beibehalten, aber in den Hintergrund geschoben, während im Vordergrund entweder neue Figuren mit eigenen Schicksalen auftreten oder die alten bekannten Gestalten aus neuer Perspektive das Geschehen interpretieren.

Die letztgenannte Technik benutzt Gertrud Fussenegger in der ersten der drei Novellen, "Jessica", der Tochter Shylocks. Zu Shakespeares Zeiten gab es ja keine Juden in England. Er war auf kursierende Gerüchte und literarische Vorbilder, alle wohl negativ, angewiesen. Interessant ist, daß Shakespeare selbst in der berühmten Rede Shylocks, "Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht?", den Anfang einer Revision gemacht hat. Aber was ist bei Fussenegger daraus geworden! Ihr ist die glaubwürdigste Humanisierung und Historisierung der Judengestalten gelungen. Selbst das eitle, törichte Mädchen Jessica wird in ihren Händen beinahe zur tragischen Gestalt. So wie die jüdischen Figuren ins Menschliche gerückt werden, indem ihre elenden, von Verfolgungen gepeitschten Schicksale mitreflektiert werden, so muß sich die venezianische "jeunesse dorée" die ihr gebührenden Rügen, ja moralischen Verdammungen gefallen lassen. Aus der erhabenen Richterin Portia ist das glänzende Charakterbild einer schwankenden, letzten Endes ungerechten Gesellschaftsdame geworden. Der Verführer und Betrüger Lorenzo wird zum Abbild jener Verantwortungslosigkeit, die man heute mit dem Ausdruck "playboy" kennzeichnet. Ziemlich unangetastet, ja als eigentlicher "Held", geht sonderbarerweise Antonio hervor, eine Art ethischer Maßstab in dieser Novelle.

Auch sprachlich sind die Erzählungen wunderbare Gebilde: ein erlesenes Vokabular, wie es immerhin zu dieser Hochkultur in einem der Stadtstaaten Italiens paßt, aber ohne jede Manieriertheit. Das Judenidiom ist nur angedeutet, den Dialog kann man förmlich hören. Selbst die Nebengestalten sind wertvolle, gut ausgeführte Miniaturen, wie zum Beispiel jener Timbal, eine ergreifende Erfindung, denn von Shakespeares Tubal hat er ja nur ein paar Buchstaben.

Die längste der Geschichten....ist Anna, der frei erfundenen jüngeren Schwester Julias gewidmet, die im Schatten der Liebes- und Familientragödie zu einer reifen Frau heranwächst. Die verschiedenen Schauplätze, die sie durchläuft, sind meisterhaft geschildert: die Kindheit im heimatlichen, aber für sie stiefmütterlichen, in den Verderben bringenden Zwist der Montagus und Capulets getauchten Verona; die Jugend in einem Gemäuer, wo sie sich unter der Fuchtel einer geizigen, fanatisch religiösen Schloßherrin durchhungert und -friert; und schließlich als Ehefrau und Mutter in einem gesicherten Hafen, Genua: eine bunte Renaissance-Novelle, mit vielerlei Stilebenen, z.B. auf der politisch-gesellschaftlichen in den Gesprächen hochgestellter Persönlichkeiten, einem Bischof und einem weltlichen Regenten, die in ihrer diplomatisch-psychologischen Sprache im Gegensatz zu den spannenden Abenteuern der Zentralgestalt stehen.

Die dritte Erzählung in dieser Trilogie ist wieder in einem völlig anderen Stil geschrieben. Eine alte Shakespeare-Darstellerin spricht diese Novelle als Monolog. Sie hat sich dermaßen mit Ophelia identifiziert, daß sie zeitweise mit dieser Gestalt zusammenwächst und sich einbildet, als Zeitgenossin auf Hamlets dänischem Schloß gelebt zu haben, und dabei eine radikale Umformung der bekannten Handlung vornimmt, ohne Geistererscheinung, Brudermord und Thronusurpation. Wie wohltätig sind doch wirkliche Geschichten.

 

Zu Goethe für Kinder:

Das Buch wurde im September 1999 von einer 26-köpfigen Jury im Auftrag des Deutschlandfunks unter die besten 7 Bücher für junge Leser in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingereiht.

Inhalt:

Leseprobe:

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 07.08.1999 lautete die Kritik folgendermaßen:

Da muß er durch

Märchen oder Schulfunkstunde: Goethe für Kinder / Lothar Müller

....Das eigentümlichste der hier anzuzeigenden Bücher [Anm. d. Red.: in dieser Rezension wurden mehrere Goethe-Bücher für Kinder besprochen] trifft den Ton, den Peter Härtlings forcierte Naivität verfehlt. Es erzählt Goethes Leben für sehr junge Leser oder, besser, für Zuhörer. Und es gibt ihm die Form einer Geschichte aus alter Zeit, bei der man einiges erklären muß. Aber es erweckt nicht die Illusion, daß jeder alles verstehen muß. Die österreichische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger läßt vieles aus, und wenn sie auf Goethes Werk zu sprechen kommt, versteckt sie sparsame Kommentare in der einfachen Nacherzählung. Sie holt Goethe nicht in die Gegenwart. Es herrschen das epische Imperfekt und das historische Präsens Und ein Blick dem kein sprechendes Detail entgeht. Herder ist der Freund mit den kranken Augen. Statt mit Goethes Geburt beginnt dieses Buch wie eine Kalendergeshichte mit dem Erdbeben von Lissabon. Krieg, Soldaten und die Revolution sind immer anwesend. Und wenn es einen Sprung macht, dann beginnt das nächste Kapitel mit dem Satz: "Die Jahre vergingen." So kommt diese Erzählung früh genug beim alten Goethe an. Man möchte wünschen, daß Hans Traxlers Junge [Die Buch-Illustrationen, Anm. d. Red.] mit dem Skateboard und das Mädchen mit den Inine-Skatern nach einigem Stutzen an diesem Buch Gefallen finden.

In der Tageszeitung "Dolomiten" ist eine weitere Besprechung von Eugen Thurner erschienen:

Eine überaus erfreuliche Erscheinung ist das Buch von G. Fussenegger.....Die große Dichterin macht es sich zur Aufgabe, den Lebensweg Goethes vom ungewöhnlichen Knaben bis zum Dichter des "Faust" dialogmäßig und bilderreich vor den Augen einer lauschenden Schaft von Kindern ablaufen zu lassen. Das kann nur eine Erzählerin machen, die bis in alle Einzelheiten von Werk und Leben des Dichters unterrichtet ist. Die Kunst aber besteht in der Umsetzung dieses Wissens. Und das ist G. Fussenegger ausgezeichnet gelungen. Sie tritt ihren jungen Lesern nicht als Lehrerin mit erhobenem Zeigefinger entgegen, die nur zu vermitteln, hat, was sie schon längst weiß. Vielmehr nimmt sie den Standpunkt der Kinder ein, gestaltet, indem sie ihrer Neugier folgt, und hält fest, was des steten Erstaunens würdig ist. So schafft sie eine Atmosphäre, in der Geben und Nehmen fast zu gleichen Teilen aufgeteilt sind. Was sie in den Kindern erwecken will, ist Anteil, ist Teilnahme am Leben und Schaffen eines ganz Großen, der aber nicht in unnahbarer Ferne thront, sondern ganz unmittelbar in das Leben der jungen Menschen eingreift, indem erj sie ergreift, so daß sein Leben zu ihrem Leben wird, groß, herrlich - und dennoch nah und vertraut. Die Größe, in der der Dichter den kindlichen Augen erscheint, wird nicht zur Last, sondern zur Aufgabe, in der "täglichen Dienste ehrlicher Bewahrung" den eigenen Lebenssinn zu finden.

 

Zu Spiegelbild mit Feuersäule

Die F.A.Z. schrieb am 05.11.1979:

Das Kuschen war schuld. Gertrud Fusseneggers Lebensbericht / Ulrich Weinzierl

Mutter von fünf Kindern, heißt es im Klappentext zur Charakterisierung der Verfasserin. Das hätte, mit Verlaub gesagt, seinerzeit fürs "Ehrenkreuz der deutschen Mutter" gereicht. Warum nur diese unfreundliche Assoziation? Ich blättere in Gertrud Fusseneggers Lebensbericht "Ein Spiegelbild mit Feuersäule" und stoße auf den Satz, stoße mich an ihm: "Der Anschluß erschien uns wie ein Pfingstwunder." Mir fällt ihr "Völkischer Beobachter-Hymnus" auf den Führer als Erlöser ein.

Aber, so sage ich mir, all das ist sehr lange her, die Fussenegger hat sich inzwischen Rechtens - und eben nicht mit sogenanntem Schrifttum - einen guten Namen gemacht. Außerdem habe ich ja in erster Linie Literatur zu rezensieren, nicht Weltanschauungen. Und dennoch, erzählen nicht gerade Autobiographien zumeist mehr als private Geschichten: Geschichte, wie der Autor sie einst erlebte, wie er sie nun rückblickend sieht? Und wird nicht, wenn eine promovierte Historikerin Rechenschaft ablegt, Vergangenheit beinahe zwangsläufig im umfassenden Sinn zum Thema und Problem?

Dort, wo Gertrud Fussenegger, die Offizierstochter aus Pilsen, aufwächst, hält man traditionellen Werten die Treue, während diese im Begriff sind zu zerfallen, zum Teil, gleich der Heimat, dem alten Österreich-Ungarn, schon zerfallen sind. Da ist der Vater, der Mensch, den sie vielleicht am meisten geliebt hat, schweigsam bis zur beredten Stummheit, verbittert über eine neue Zeit, eine verachtete Staatsform, die ihn und seinesgleichen ins Unrecht setzt, gesellschaftlich degradiert. Da sind die beiden Tanten, in ihrem unstillbaren Liebesdrang, die der Nichte immer etwas Gutes tun, antun wollen und gegen die sie sich behutsam zur Wehr setzen muß. Und da ist nicht zuletzt die jüdische Deutschlehrerin, die über Dichtung so spricht, daß sie zum Erlebnis wird.

Bereits früh mit der zerstörenden Gewalt des Krieges konfrontiert - das symbolträchtige Bild der Feuersäule kehrt leitmotivisch wieder -, bleiben der Heranwachsenden auch andere Brüche im Weltgefüge nicht verborgen: die Kluft zwischen jenen, die haben oder zumindest hatten, und den Besitzlosen, Ausgebeuteten. Die Folge dieser Sensibilität ist schwärmerischer Sozialismus mit gleichaltrigen Freundinnen. Eine andere, von Herkunft und politischen Verhältnissen der Zeit bestimmte ideologische Komponente, deutschnationales Fühlen und Denken, soll sich als beständiger erweisen.

Die Schauplätze wechseln, Vorarlberg, Tirol, Pilsen, Studium in München und Innsbruck, eine Bildungsreise nach Süditalien. Menschen, die kommen und gehen. Gertrud Fussenegger will sehen, lernen, leben lernen. Ein junges Mädchen auf der Suche nach sich selbst. Der Weg, den sie schließlich wählt, ist unsicher. Eine Existenz, halb bürgerlich, halb bohemehaft; unter Künstlern, die froh wären, könnten sie von der Hand in den Mund leben. Mit vierundzwanzig Jahren veröffentlicht sie ihr erstes Buch, und damit hat sie sich, ihre Bestimmung gefunden.

Auf lange Verlobungszeit mit einem Bildhauer folgt Ehe; glücklos im Zusammenleben und doch das Glück der ersten Kinder schenkend. Wir schreiben 1939. Österreich ist "heimgekehrt" ins Reich, die Tschechoslowakei zerschlagen. Gertrud Fussenegger, Mitglied der Reichsschrifttumskammer, träumt - wie die vielen - einen kollektiven Traum, aus dem sie erst erwacht, als er auch für sie zum Alptraum wird.

Es ist sympathisch, daß sie dieses Kapitel ihres Lebens nicht umstilisiert, keine durchgesehene und verbesserte Fassung der eigenen Person präsentiert. Im Gegenteil, sie hat die Gabe, sich und uns zurückzuversetzen und glaubwürdig wiederzugeben, was sie damals empfand - das Hochgefühl, die Zweifel, verdrängte Ängste, Ahnung von Unrecht und Schuld. Diese Technik der Zeitmaschine hat jedoch auch, allzu distanzlos angewendet, ihre Tücken. Wenn etwa heute noch eine Exilzeitschrift vom Range des "Neuen Tage-Buchs" mit der Kennzeichnung "Tiraden des - begreiflichen, aber blinden - Hasses" abgetan wird, muß man die Dinge zurechtrücken. Selbst ein blinder Leopold Schwarzschild wäre erheblich sehender gewesen als Frau Fussenegger. Das Ende mit Schrecken, das Jahr 1945, da die Saat der Gewalt aufgegangen war, steht auch am Ende dieses Buches.

"Ein Spiegelbild mit Feuersäule" ist keine Rechtfertigung, vielmehr ein Lehrbuch des Lebens, repräsentativ im besten wie im schlechtesten Sinne für fast eine ganze Generation. Gertrud Fussenegger will vor allem verstehen, sich und andere, wie kam, was anscheinend kommen mußte. Ihr Blick zurück stammt aus klugen Augen, und ihre ausdrucksvolle Sprache findet für manches Worte, wo andere nichts zu sagen haben und doch nicht verstummen. Einmal, an einer zentralen Stelle, fällt die Erzählerin aus dem gewohnten, "schönen" sprachlichen Rehmen. Es geht um Verantwortung, Teilhabe des einzelnen am allgemeinen Geschehen. Und da heißt es: "Das Kuschen war schuld, an vielem, an allem war das Kuschen schuld." In diesem "Stilbruch" hat sich beherrschte Prosa, das Attribut in seiner schillernden Bedeutung verstanden, zur Erkenntnis befreit.

 

Zu Der Zauberhain

Leseprobe:

Es waren einmal zwei Freunde, sie lebten in einem fernen Land am Rand der Wüste, wo nur noch Disteln und Dornen wachsen. Der eine hatte eine bescheidene Hütte aus Stein und Lehm und einen kleinen Acker, den er mit seiner Tochter Ubiana bebaute, denn seine Frau war ihm gestorben. Auch der andere hatte keine Frau mehr. Er wohnte in einem Zelt, denn er war Hirte und hatte eine Herde von Schafen. Mit seinem Sohn Asan weidete er seine Tiere dort, wo zwischen Sand und Steinen noch ein wenig Gras wuchs, und die Schafe gediehen. Sie gaben Wolle und Milch, aus der Milch machte Asan und sein Vater Käse und trugen Wolle und Käse dann und wann in die nahe Stadt, wo sie beides auf dem Markt verkauften. Den Brunnen aber hatten sie gemeinsam mit Ubianas Vater. So lebten die vier miteinander in guter Nachbarschaft.

Asan und Ubiana waren seit Kindestagen Spielgefährten gewesen. Nun, da sie groß geworden waren und die Zeit der Spiele vorüber war, hatten sie einander lieb gewonnen. Aber keiner sagte es dem anderen. Asan freute sich, wenn er Ubiana am Brunnen Wasser schöpfen sah, und Ubiana freute sich, wenn sie Asans Flöte hörte. Doch selbst diese Freude gestanden sie einander nicht ein.

Zu Nur ein Regenbogen

Leseprobe aus "Barmherzigkeit":

Auf der Straße bewegten sich drei Fahrzeuge. In dem ersten saß ein Bauer mit seiner Frau, seinen Kindern und seiner alten Mutter. Sie waren auf der Flucht, denn es war Krieg und Vernichtungszeit, und sie flohen vor der Vernichtung.

In dem zweiten Wagen saß ein Bursche, rotbackig, munter, in Sportrock und Mütze. Er fuhr in entgegengesetzter Richtung und auf die Fronten zu. In seinem Rock steckte ein Buch, in das er seine Erlebnisse eintrug, eine Kamera hatte er umgehängt, eine zweite lag auf dem Sitz neben ihm.

Im dritten Wagen saß ein älterer Mann mit seinem Fahrer. Beide waren in Uniform, sie gehörten einer der Armeen an, die hier Krieg führten. Der ältere Mann hatte zu Hause als Bankbeamter gelebt, jetzt befehligte er eine Truppe und war unterwegs zu ihr. Sein Haar war ergraut, seine Lider flatterten, er litt seit einiger Zeit an Schlaflosigkeit.

Die drei Fahrzeuge bewegten sich auf ein und derselben Straße, und alle drei kamen kurz hintereinander an ein und derselben Stelle vorbei.

Dort lag ein Mensch.

 

Zu Grenzüberschreitungen

In seiner Rezension schreibt Peter Kraft (10.12.1999):

Reiches Lebenswerk einer großen Frau

Unter dem Titel "Grenzüberschreitungen" ist, leider schon verspätet, im Vorjahr zum Fünfundachtziger der Autorin, bei Langen Müller in München eine Gertrud Fussenegger gewidmete Festschrift erschienen, deren allgemeingültiger Lebensgang und Werk nach vielen Seiten ausleuchtender Gehalt eine vom Erscheinungszeitpunkt unabhängige, genaue Betrachtung verdient.

Herausgeber ist der, an der Universität Erlangen Neue und Neueste Geschichte lehrende, Privatdozent Frank-Lothar Kroll. Diesem ist nicht nur eine gültige Analyse von Lebensgeschichte und Schaffenseigenart der Schriftstellerin Gertrud Fussenegger, einer absolvierten Germanistin und Historikerin, gelungen, wobei auf Interview-Praxis und genauem Werk-Studium aufgebaut wird; Kroll hat darüber hinaus auch eine beachtliche Gruppe von Persönlichkeiten aus dem wissenschaftlich-kulturellen und literarischen Bereich zu treffsicheren und niveauvollen Beiträgen in dem fast fünfhundertseitigen Band versammeln können.

Die Titelgebung spielt auf Gertrud Fusseneggers altösterreichische Pilsener Herkunft jenseits und diesseits heutiger Grenzen an, denn der weitere Lebensverlauf der Autorin schloß Tirol, Bayern und Südtirol als Schicksalslandschaften einer Vorarlberger Herkunft vom Vater her mit ein.

Die menschliche Wertschätzung, das literarische Ernstnehmen von Gertrud Fussenegger ist aus einer Grußadresse von Altbundespräsident Rudolf Kirchschläger ebenso wie aus einem Vortrag des ehemaligen Bayerischen Staatsministers für Unterricht und Kultus, auch Professor an der Universität München, Hans Maier, abzulesen. Pointierte Würdigungen stammen von dem Religionsphilosophen Schalom Ben-Chorin, Jerusalem; von Dieter Borchmeyer, Universität Heidelberg; Herbert Kessler, Präsident der Humboldt-Gesellschaft Mannheim; Hartmut Laufhütte, Universität Passau; Joel Pottier, Universität Limoges; Werner Ross, Universität München; Hans Rüdiger Schwab, Universität Münster; Egon Schwarz, Washington University St. Louis, und Erika Tunner, Universität Paris. Auch der Leiter des Linzer Adalbert Stifter Institutes des Landes Oberösterreich, Johann Lachinger, steuerte mit einer Abhandlung über "Dimensionen des Historischen" im Werk der Jubilarin eine aufschlußreiche Arbeit bei. Weitere Beiträge, durchaus von Gewicht und Diskussionsrang, liefern Friedrich Denk, Publizist aus Weilheim; Erich Jooß, Geschäftsführender Direktor des St. Michaelsbundes, München; Helmut Salfinger, Germanist aus Linz, und Barbara von Wulffen, Stockdorf.

Als geistige Zeugen für die Jubilarin stehen neben den Wissenschaftern vor allem so prominente und ernstzunehmende literarische Weggefährten wie Rainer Kunze und, leider schon verstorbenen, Manès Sperber, György Sebestyen und Hilde Spiel; die letzteren zwei waren durch eine enge und aufrichtige Freundschaft mit der Schriftstellerin Fussenegger verbunden.

Umgekehrt hat die Jubilarin nicht nur diesen Personen, sondern auch wesentlich jüngeren ihre Sympathie zugewendet und mitunter war sie auch an deren Werkaufschließung für die Literaturszene in Oberösterreich nachdrücklich mitbeteiligt. Das Interview im Buch zitiert dazu Namen wie Herbert Rosendorfer, Christoph Ransmayr und Evelyn Grill.

Der Herausgeber hat den Band in drei große Teile gegliedert: Geht es im ersten um Gratulationsadressen und Würdigungen der Jubilarin, die bereits in die Analyse des Werks hineinführen, auch am Beispiel bestimmter Einzelinterpretationen, so folgt in Teil Zwei ein ausgewählter Querschnitt mit Proben aus dem Gesamtwerk selbst, unterteilt in Autobiographisches, Roman- und Erzählungsauszüge sowie Beispiele aus dem Bereich des Essays und der Lyrik, bis in die jüngste Vergangenheit herauf. Im dritten Teil wird dann mittels eines großen Interviews, das Frank-Lothar Kroll führte, Resümee gezogen. Eine Bibliographie des Erzählwerkes, mit bis 1996 mehr als sechzig Titeln und ein Register der am Band beteiligten Autoren und Autorinnen schließen sich komplettierend an.

Gerade aus dem Essay-Teil wird auch deutlich, daß Gertrud Fussenegger, eine scharfe Beobachterin und gewandte Kommentatorin, sich unbeirrt gegenüber einem sie geflissentlich ausgrenzenden Establishment des gegenwärtigen literarischen Zeitgeistes behauptet. Ihre Position auf dem Boden einer christlich geprägten Geschichtsphilosophie, mit ehrlicher Aufarbeitung eigener politischer Irrtümer der Vergangenheit, bekräftigt das. Man erkennt, daß sie in einer Reihe mit heute aus der Tradition verdrängten Namen, wie Reinhold Schneider oder Edzard Schaper, steht.

Die Vitalität der couragierten großen alten Dame der oberösterreichischen Literaturszene ist ungebrochen, gerade auch jetzt, da die Veröffentlichung zweier Werke nahe bevorsteht...

(=> Goethe für Kinder und Shakespeares Töchter, Anm. d. Red.)

Zu Herrscherinnen:

Eine "etwas andere" Rezension findet sich im Internet unter www.ceiberweiber.com, einer feministischen Website:

Befaßt frau sich mit historischen regierenden Geschlechtsgenossinnen, siehe da, plötzlich tauchen all die Eigenschaften auf, die ansonsten "männlicher Macht" zugeschrieben werden. (...) Bei manchen Herrscherinnen war die Ehe eine recht unbeliebte Einrichtung: sie dachten nicht daran, ihren dynastischen Pflichten nachzukommen und dem Reich Erben zu schenken. War doch auch die Erbfolge stets nur deshalb bei ihnen gelandet, weil alles irgend stammbaummäßig erreichbare Männliche gestorben war, ohne männliche Nachfolger zu zeugen. Die Herrscherinnen konnten sich unter ihren Höflingen bedienen und würden hinter vorgehaltener Hand Gegenstand derber Scherze, wenn sie alterten und immer jüngere Liebhaber nahmen. Diese Männer wurden oftmals, auch weil sie abenteuerlustig waren, mit Aufgaben betreut, die sie mehr oder weniger erfolgreich erledigten oder an denen sie scheiterten. (...)

Die Herrscherinnen erhielten zwar eine bessere formale Bildung als andere adelige Frauen, doch konzentrierte sich dies meist auf Sprachen: Christine von Schweden lernte zusätzlich noch weitere Sprachen, sodaß (sic) erstaunt berichtet wurde, sie spräche lateinisch, deutsch, französisch, italienisch, holländisch und griechisch und habe Kenntnisse des Hebräischen und Arabischen. In Staatskunde oder Ökonomie wurden sie allerdings nicht unterrichtet, im Gegensatz zu den potentiellen männlichen Herrschern. Fast alle von ihnen eigneten sich daher unermüdlich weiteres Wissen an und bemühten sich, im Vergleich mit den anerkannten männlichen Geistesgrößen ihrer Zeit zu brillieren. (...)

Fussenegger korrigiert auch die allgemeine Ansicht, daß je höher ein Mensch hierarchisch steht, desto größer auch seine Freiheiten seien. Die Herrscherinnen und andere Frauen ihrer Schicht waren jedoch massiven Zwängen ausgesetzt, denen sie sich zu unterwerfen hatten, wenngleich sie in der einen oder anderen Sache durchaus gegen die an sie gerichteten Erwartungen rebellierten. Unsterbliche Mythen ranken sich schließlich nicht um Herrscherinnen, sondern um jene Frauen, die sich machtlos gaben, wie etwa Elisabeth von Österreich. Die Flucht vor Verpflichtungen scheint attraktiver zu sein, weil Herrschen doch mit der traditionellen Frauenrolle im Widerspruch steht. Zumal Herrscherinnen auch machtpolitisch aktiv waren, Kriege führten, Piraterie begünstigten (wie Elisabeth I.), Gegner ermorden ließen und Leibeigenschaft wie Folter duldeten. (...)

 

Zu Sie waren Zeitgenossen:

In der Rezension der F.A.Z. vom 12.10.1993 heißt es:

Dem gläubigen Gemüt eine Freude / Jürgen Jacobs

Die österreichische Dichterin Gertrud Fussenegger, die sich vor allem durch historische Romane bekannt gemacht hat, legt als Alterswerk ein Buch über das Auftreten Jesu und Johannes des Täufers vor. Sie benutzt die Überlieferung des Neuen Testaments und andere Quellen, schildert aber die Vorgänge aus der Perspektive von meist erfundenen Außenseiterfiguren, die von der religiösen Botschaft nur gestreift werden.

Da ist Eljakim, der Bruder des Hohenpriesters und selbst Mitglied der jüdischen Hierarchie, der den Glauben an das Kommen des Messias verloren hat. Da ist ferner der gebildete Arzt und Schriftsteller Antisthenes, ein Grieche, der die Juden wegen ihres strengen Gottesglaubens bewundert und sich doch als Agent der römischen Besatzungsmacht gebrauchen läßt. Und da ist schließlich der junge Aristobul, der vom Hohenpriester als Spion gegen Johannes eingesetzt wird, sich aber dessen prophetischer Kraft nicht entziehen kann.

Mit diesen Figuren und mit einer Reihe anderer will der Roman die großen geistigen, politischen und religiösen Strömungen zu Beginn unserer Zeitrechnung darstellen: die römische Machtpolitik, die Urbanität eines späten Griechentums, die jüdische Welt und innerhalb dieser das entstehende Christentum.

Die vordringliche Absicht des Buches ist es jedoch nicht, ein breit ausgemaltes Zeitpanorama zu entwerfen. In dieser Hinsicht hat etwa Henryk Sienkiewicz beträchtlich mehr geboten und auch ungleich mehr historische Studien in seinen Roman investiert. Gertrud Fussenegger erzählt ihre Geschichte aus der Frühzeit des Christentums auf eine sehr viel knappere und absichtsvoll indirekte Weise: Sie stellt den Lebensgang einiger Zeitgenossen des galiläischen Predigers Jeschua in den Vordergrund und läßt die Wundertaten und die Heilsverkündigung nur in einem halbverdeckten Hintergrund sichtbar werden. Gleichwohl gerät der Leser nie in Zweifel, daß ihm das Ganze nur um dieses bedeutungsschweren Hintergrundes willen erzählt wird.

Gertrud Fussenegger bedient sich einer pseudodokumentarischen Darstellungsweise, die Briefe, Tagebuchnotizen, Aufrufe, Agentenberichte und authentische Zitate aus der Bibel und aus Flavius Josephus aneinanderreiht. Diese Technik, den historischen Vorgang in mehrfacher Brechung vorzuführen, gemahnt an Thornton Wilders "Iden des März". Aber im Roman der Fussenegger dient diese Darbietungsform nicht dazu, durch die Vielfalt individueller Sichtweisen hindurch epische Objektivität zu gewinnen. Sondern hier sollen die im Neuen Testament berichteten Vorgänge aus ungewohnter Perspektive vorgeführt werden, um dem gläubigen Gemüt die Freude der Wiederentdeckung und eine Bestätigung seiner Überzeugungen zu vermitteln.

Wer solche erbauliche Wirkung nicht sucht, wird in Gertrud Fusseneggers biblischem Roman nur erzählte Kultur- und Religionsgeschichte finden. Auf diesem Feld aber bietet das Buch, weil seine leitende Intention in eine andere Richtung zielt, nur knappe Kost.

 

Zu Grenzüberschreitungen

Auch die Deutsche Tagespost (13.02.1999) beschäftigte sich mit diesem Buch:

(...)Die zweite Hälfte der Festschrift bringt eine glückliche Auswahl aus dem Werk Fusseneggers. Autobiographisches, so das Kapitel "Onkel Roderich" aus dem ergreifenden Lebensbericht "Ein Spiegelbild mit Feuersäule", Erzählungen, Essays und Lyrik, auch viele bisher ungekannte Arbeiten wie das köstliche Einleitungskapitel des noch nicht veröffentlichten Fortsetzungsbandes zum Roman "Das Haus der dunklen Krüge": "Der Familienausflug". Erhellend sind ihre kritischen Erwägungen zum Werk Adalbert Stifters, und zum Werk Ernst Jünger, lesenswert ihr beim Aschermittwoch der Künstler gehaltener Vortrag "Der Dichter und sein Gott", der mit Fragen an die Kirche und an die Literatur endet. (...)

 

Nach dem Artikel zum 80. Geburtstag

Anläßlich der Verleihung des Jean-Paul-Preises (1993) erschien im Rheinischen Merkur ein Artikel, der sich mit den angeblichen Verstrickungen der Autorin im Dritten Reich intensiv beschäftigte:

Die blockierte Wahrnehmung. Vom fünfzigjährigen Versuch der Autorin, die Schwärmerei einer Zwanzigjährigen zu korrigieren / Von Dieter Borchmeyer

"Man kann Gertrud Fussenegger sehr falsch interpretieren. Das passierte der Deutschlandstiftung, als sie 1983 die Autorin in das rechtsextreme Lager einbinden wollte. Die kluge Erbin des alten österreichischen Traditionalismus lehnte den Konrad-Adenauer-Preis der Stiftung ab." Das war der Schluß des Artikels, den Elisabeth Endres am 8. Mai 1992 zum 80. Geburtstag von Gertrud Fussenegger in der "Süddeutschen Zeitung" veröffentlichte.

Gut ein Jahr später, am 20. Oktober 1993, las man es in derselben Zeitung anders. Aus Anlaß der Verleihung des Jean-Paul-Preises des Freistaates Bayern an Gertrud Fussenegger erschien dort ein mit dem Kürzel "end" unterzeichneter Artikel, der einer intellektuellen und moralischen Hinrichtung der Preisträgerin gleichkam. Da standen unter anderem die Sätze: "Ihr bevorzugtes Thema war der Kampf gegen jenes Judentum, das nach ihrer und ihrer Freunde Ansicht das Gute - das auch in Österreich edle Deutschtum - beschmutze und verhöhne. Die angeblich jüdische Wesensart war ihr wegen der angeblichen Negativität verhaßt."

Jedes Wort in diesen Sätzen ist unwahr - eine "sehr falsche Interpretation" -, und das müßte die Verfasserin des Artikels selber wissen, denn auch "end" ist Elisabeth Endres. Aus keinem einzigen Werk von Gertrud Fussenegger - auch nicht aus der Zeit des Dritten Reiches - ist die Absicht ablesbar, das Judentum wegen seiner Negativität zu bekämpfen. Der einzige Roman der Autorin, der eine jüdische Thematik hat: Der von Schalom Ben-Chorin gerühmte Jesus-Roman "Sie waren Zeitgenossen" (1983) weist die Schuld der Juden am Tode Jesu zurück, wie selbst "end" zugibt. Zu erinnern wäre auch an die Szenenfolge "Pilatus" (1979), welche die Darstellung des Prozesses Jesu von den antijüdischen Überlagerungen der Passionsspieltradition zu befreien unternimmt.

Gegen die Verleihung des Jean-Paul-Preises an Gertrud Fussenegger sind heftige Proteste veröffentlicht worden, auf die wiederum ein Gegenprotest von über dreißig Germanisten, Philosophen und Schriftstellern aus Deutschland, Österreich, England und den USA reagiert hat. Im Mittelpunkt dieser publizistischen Aktionen stand die Frage, ob Gertrud Fussenegger durch ihre einstigen großdeutschen Sympathien so belastet ist, daß sich eine hohe literarische Auszeichnung wie die durch den Jean-Paul-Preis nicht vertreten läßt.

Seit 1945 hat Gertrud Fussenegger sich immer wieder mit der Schuld der Deutschen - auch der eigenen - auseinandergesetzt. Das schonungsloseste (wenn auch etwas reißerische) Beispiel ist ihr Roman "In deine Hand gegeben" (1954). "Abrechnung, monologisch" lautet ein Kapitel in ihrer Autobiographie "Ein Spiegelbild mit Feuersäule" (1979). "Ich bekenne mich, ideologischer Süchtigkeit erlegen zu sein", schreibt sie da. Diese Süchtigkeit mag zu einer Wahrnehmungsblockade geführt haben, wie wir sie auch aus der Geschichte des Sozialismus kennen. Gertrud Fussenegger ist 1933 als zwanzigjährige Studentin der NSDAP beigetreten. Großdeutsche Reichstrunkenheit hat sie wie zahlreiche andere deutsch-böhmische Poeten (auch der nachmalige Kommunist Franz Fühmann gehörte zu ihnen) im Jahr des Anschlusses zu Jubelgedichten beflügelt. Einige Veröffentlichungen von ihr erschienen im "Völkischen Beobachter", darunter die Erzählung "Eines Menschen Sohn", die keineswegs nationalsozialistischen Geist atmet. Das hielt ihr denn auch der Nazi-Kritiker Wilhelm Stölting in der Zeitschrift "Die Weltliteratur" (1941) vor. (Im übrigen hatte der "Völkische Beobachter" durchaus seine apolitische Kulturnische. Auch Autoren wie Hans Carossa und Georg von der Vring haben dort publiziert.)

"Ich habe gejubelt, ich habe mitgejubelt, sagte der alte Mann und hämmerte mit seiner dürren Faust auf den Tisch, und keine Träne wäscht den Makel ab -". Mit diesen Zeilen beginnen die "Selbstgespräche eines bejahrten Österreichers" über das Jahr 1938, die Gertrud Fussenegger 1987 unter dem Titel "Jubel und bittere Reue" veröffentlichte. "Ich habe mitgejubelt, sagte er, und sollte deshalb gar nicht mehr da sein, nicht mehr da sitzen auf meinem Stuhl, unter meinem Dach, mich nicht sättigen dürfen an der Speise der Glücklichen. Denn ich weiß..., das Unglück der Welt haben wir herbeigejubelt."

Gertrud Fussenegger war im literarischen Betrieb des Dritten Reiches nur ein "kleines Licht" ("Der Spiegel" 43/1993). In den einschlägigen Dokumentationen zur NS-Literatur von Joseph Wulf, Ernst Loewy, Horst Denkler, Uwe-K. Ketelsen und jüngst von Günter Scholdt ("Autoren über Hitler") wird ihr Name nicht einmal im Register erwähnt. Für die nationalsozialistische Literaturpolitik war ihr Werk nicht "auswertbar" (Wilhelm Stölting).

Das zeigt besonders deutlich jene "Mohrenlegende" von 1937, welche die Inhumanität des Rassendenkens enthüllte und die Gewißheit zum Ausdruck brachte, daß die Rassen vor Gott "einander alle gleich" sind. In der Mitte der Erzählung unternahm die Verfasserin gar den verhüllten Versuch, den christlichen Judenhaß zurückzuweisen. Der dem Heiligen Land entstammende, von einem brutalen Kreuzfahrer ins Alpengebiet verschleppte Mohrenknabe wird hier in einem waghalsigen Akt verdeckter Schreibweise zur Symbolfigur auch des jüdischen Volkes. Dem charakterschwachen Pfarrer, in dessen Dorf der geraubte Mohrenknabe verschlagen wird, kommt zu Bewußtsein, "daß dieses ungetaufte Kind...mit dem Ereignis der göttlichen Menschwerdung in einem fleischlich-irdischen Sinn eine Gemeinsamkeit besaß, von der der Priester sich und alle Gläubigen, die rings in der christlichen Welt lebten, für ewig abgesondert wußte". Hier bahnt sich ein Thema an, das zentral wird für das spätere Romanwerk. Die wahren homines religiosi sind bei ihr fast immer die Ausgestoßenen, die Schuldbeladenen, ja die Ungläubigen - so gut wie nie die unangefochtenen Seelen des institutionalisierten Christentums.

Die Mohrenlegende wurde als "unvereinbar mit unseren Auffassungen von den Rassegesetzen" (so Wilhelm Stölting) und als "Mitleidwerbung für Andersrassige" auf Weisung des Amtes Rosenberg aus dem Handel gezogen. Um so erstaunlicher, daß Gertrud Fussenegger in ihren 1941 niedergeschriebenen "Böhmischen Verzauberungen" plötzlich zur Antisemitin geworden sein soll, wie man ihr vorwirft. Diese Erinnerungsblätter erschienen zuerst 1943 in der Zeitschrift "Das innere Reich", einem bevorzugten Forum der Inneren Emigration (dort haben auch Johannes Bobrowski, Peter Huchel, Jochen Klepper und Reinhold Schneider publiziert). Dieser Text wird so gut wie immer mit manipulativen Kürzungen zitiert, die bis zur Fälschung gehen. Es gibt da ganze vier Zeilen, die das Erscheinungsbild der Juden in Prag vor 1939 skizzieren - gänzlich neutral, bis auf eine Bemerkung über die "geckenhaften Anzüge" mancher jüdischer Flaneure auf dem Wenzelsplatz. Auf diese vier Zeilen folgt die eingehende Schilderung der ausufernden Bettelei und Prostitution in den Straßen Prags. Eindeutig darauf - und nicht auf die Juden, wie unzulässige Raffung des Textes suggeriert hat - bezieht sich der Satz: "Derlei Unfug ist heute in Prag längst verschwunden."

Und dann folgt nicht etwa ein Loblied lauf deutsche Gründlichkeit und Sauberkeit - von der deutschen Eroberung Prags ist an dieser Stelle überhaupt nicht die Rede -, sondern verblüffenderweise wird das Hohelied des solid-lebenslustigen tschechischen Volkes gesungen, das "jetzt das Aussehen seiner Hauptstadt mehr beherrscht denn früher, da die zwar willig geduldete Überfremdung durch Artandere und Entartete Prag ein zuweilen bis zur Verzerrtheit groteskes Gesicht verlieh". In diesem Zitat lassen uns einige - bei der Autorin durchaus unübliche - Vokabeln zusammenzucken. Die Begriffe Art und Entartung waren freilich nicht nur nationalsozialistisches Vokabular. Mit den Entarteten sind in diesem Text unmißverständlich Prostituierte, Zuhälter und Strichjungen gemeint, mit den "Artanderen" offenbar die Juden, aber eben aus der Perspektive der Tschechen!

Wenig später folgt die Beschreibung des Gangs über den Judenfriedhof. Bekanntlich sind dessen Gräber wegen des geringen Platzes, den ihm die Stadt Prag einräumte, mehrfach übereinandergeschichtet. Voller Befremden über die labyrinthische Gestalt dieses Friedhofs sagt die Verfasserin von den regellos getürmten Leichensteinen, daß sie "den schwarzen unbegrünten Grund gleich einer Drachensaat besetzen". Dieses Bild - das den visuellen Eindruck der Autorin widergibt - spielt auf den griechischen Mythos von den Drachenzähnen an, die Kadmos, der Gründer Thebens, auf Weisung Athenes in den Boden säte und aus denen Krieger wuchsen.

Aufgrund der Übereinanderschichtung der Toten habe die Erde die Gabe verloren, "die ihr übergebenen Leiber zur eigenen reinen Unform aufzulösen und so das Verfallende mit sich selbst zu versöhnen". Versöhnung, Friede sei diesem "Friedhof" anders als den christlichen Totenstätten verwehrt. Das Befremden der Autorin über den "unseligen Ort" mag wieder uns befremden - doch sicher ist dieser Text keine "Verhöhnung jüdischer Grabstätten".

Über den Brauch, Steinchen auf den oberen Rand der Grabsteine zu legen, schreibt die Verfasserin: "Steine bringen die Juden zu den Gräbern ihrer Toten, eine gespenstische Erinnerung an die Urzeit des Volkes, da die Hyänen die in die Wüste gebetteten Leichen bedrohten; je mehr Steine auf eine Gruft gehäuft waren, um so sicherer erschien sie vor der Zerstörung." Ist das der Ton "verbaler Grabschändung"?

Wie immer man zu diesem vieldeutigen Text steht, dem die Selbstzensur der Verfasserin deutlich anzumerken ist - es ist die einzige Stelle im Gesamtwerk von Gertrud Fussenegger, aus der man antisemitische Töne heraushören könnte. Und darf ihr das nicht nach fünfzig Jahren verziehen werden - angesichts eines mehrere tausend Seiten umfassenden Nachkriegswerks, das ein einziger Akt der Trauerarbeit ist? Gerade die jüdischen Autoren, die ihr nahestanden - Max Tau, ihr Entdecker in den dreiziger Jahren, oder Manès Sperber -, haben das respektiert.

Von ihrem Werk aber, um dessentwillen sie den Jean-Paul-Preis erhalten hat, war bei all den Attacken auf sie in den letzten Wochen fast nie die Rede - und wenn, dann wurden nur Klischees darauf gehäuft. Wer einen ihrer herben großen Romane gelesen hat (...), der weiß, daß diese Erzählerin in der Tradition des europäischen Realismus von einer katholischen Erbauungsschriftstellerin sternenweit entfernt ist.

Gertrud Fussenegger hat den Jean-Paul-Preis (25.000 Mark) der Gesellschaft gestiftet, die den Namen des mit ihr befreundeten jüdischen Schriftstellers Manès Sperber (1905-1984) trägt. Nach langen Gesprächen über die Frage der deutschen Schuld hat er ihr am 28. Dezember 1977 einen bewegenden Brief geschrieben, der ihre verfolgungsbesessenen und selbstgerechten Kritiker beschämen sollte: "Dieses Jahrhundert war eine Kette fortgesetzter Prüfungen, für die niemand im voraus vorbereitet sein konnte...Keiner von uns kann Richter sein, aber es bleibt weiterhin unsere Pflicht, nicht zu vergessen, überdies immer wieder zu erforschen, ´wie all dies geschah´, was wir daraus hätten lernen müssen und bisher zu lernen unterlassen haben." Auf diesen Appell gibt das Werk von Gertrud Fussenegger, wie jeder Leser guten Willens erkennen wird, eine eindringliche Antwort.

 

Zu Zeit des Raben, Zeit der Taube, hinter die Inhaltsangabe

"Für meinen Roman...hatte ich mich in ganz andere Bedingungen einzuleben. Da war nicht die Ferne der Zeit so sehr zu überwinden als die räumliche und nationale Entfernung: Auf der einen Seite das Périgord und Paris, auf der anderen das (damals noch kaum erreichbare) Warschau, die polnische Provinz und - eine weitere Kategorie: Das chemische und physikalische Labor, die wissenschaftliche Problemfrage der damaligen Zeit. Ich hatte mich mit der Vorgeschichte und Frühgeschichte der Atomphysik zu befassen, so genau zu befassen, daß ich selbst allenfalls fähig gewesen wäre, von mir aus einen Apparat zu bedienen oder ein Experiment nachzuvollziehen. Leichter fiel es mir, in die Gedankenwelt Léon Bloys einzudringen, mich in seine mystischen Visionen vom Ende der Welt einzuleben...Trotzdem blieben viele Klippen zu überwinden, bis sich mir die Lebenswelten zweier so verschiedener Protagonisten wie Bloy und Marie Curie erschlossen."

Zu Pilatus, hinter die Inhaltsangabe

Frau Fussenegger erhält diesen Auftrag im Jahre 1976 und lehnt zuerst ab: "Wenn es mir schon Unbehagen bereitet, einen Großen der Weltgeschichte auf der Bühne zu sehen, wieviel unbehaglicher wäre es mir gewesen, einen Jesus theatralisch zu realisieren...Noch weniger will ich einer Kreuzigung zusehen, nicht weil ich etwa die Grausamkeit leugnen oder verharmlosen will, sondern weil mir jede Passionsdarstellung an der Wucht und an den Schrecken eines solchen Vorgangs notwendigerweise und von vornherein zum Scheitern verurteilt schien." Schließlich nimmt sie den Auftrag an und konzentriert sich auf Pilatus: Er steht als Jesu Richter zwar dem Kreuz nahe, hält aber trotzdem eine gewisse Distanz.

Zu Sie waren Zeitgenossen, hinter die Inhaltsangabe

"Ich wollte mich mit diesem Buch...der Gestalt Jesu Christi annähern, ohne sie doch zudringlich zu literarisieren. (Ein Unternehmen, das angesichts dieser Gestalt, wie ich glaube, von vorneherein scheitern muß.). Einen intellektuellen Griechen setzte ich ein, um Meditatives zu transportieren, einen dem Hellenismus zugeneigten vornehmen Juden..., um die mögliche Spaltung des orthodoxen Judentums anzudeuten; einen "Terroristen", um die Gärungen ins Bild zu bringen, die die Zeit bestimmten: Messiaserwartung und Haß gegen das römische Imperium... Mit dieser Rollenprosa gewann ich Distanz. Jesus Christus bringe ich kaum ins Bild, nur dreimal ganz schattenhaft, von ferne - und einmal Jesus als Kind. Mich ihm mehr anzunähern hätte ich nicht gewagt. Obgleich er natürlich die Achse des Entwurfs ist, ließ ich ihn hinter dem Horizont. Nur als das Inkommensurable sollte er gegenwärtig werden. Dieses Thema war das größte, letzte, dem ich mich nähern konnte. Ich glaube, dieses Buch wird auch mein letzter großer Roman bleiben."

Zu Die Brüder von Lasawa, hinter die Inhaltsangabe

Über den Motivumbau dieses Romans berichtet die Autorin: "Der Grundentwurf zu meinem Roman...sah kein Brüderpaar, sondern zwei Vettern vor, einen Preußen und einen Österreicher; die, so stellte ich es mir vor, einander in den Kriegen gegen Napoleon begegnen. Ich begann den Roman 1936, ließ ihn aber bald liegen. Noch vor Beginn des Krieges, 1937, aber bereits beunruhigt von dem desaströsen Tempo, das die laufenden Weltereignisse angenommen hatten, versuchte ich mich in einem Neubeginn. Ich rückte die beiden Protagonisten in eine engere, darum auch schicksalsträchtigere Konstellation zueinander, indem ich aus Vettern Brüder machte, und ich verlegte das Geschehen in den Dreißigjährigen Krieg, der mir der eigenen Zeit ähnlicher schien als die Epoche der immerhin glückhaft endenden Freiheitskriege. Da sich mir die aktuelle Lebenszeit verdunkelte, verdunkelte sich auch der Hintergrund, auf den ich meine Geschichte auftrug. Im großen Brand von Magdeburg erschien mir etwas wie ein bedrohliches Menetekel auch für das "größere Magdeburg", Hitlerdeutschland..."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Zu Bibliographie, nach dem ersten Absatz

Der folgende Text ist der erste Teil eines Vortrages, den Frau Fussenegger am 26. Januar 1997 an der Evangelischen Akademie Meißen gehalten hat.

Der historische Roman. Facetten und Perspektiven

Wir alle wissen: Manche Menschen leben vor allem aus und mit der Vergangenheit, andere vor allem für und in die Zukunft. Diesen mag es oft scheinen, daß sich die Zeit nicht rasch genug auf sie zubewegt, sie klagen über das widerständige Schneckentempo der Jahre. Die anderen schaudert es vor der Flüchtigkeit der Stunde, sie möchten Vergangenes festhalten, festnageln, für immer vergegenwärtigen. So wirkt die Zeit manchmal wie ein Gummiband: einmal ein zähes Medium, das sich kaum heranziehen läßt, dann wieder schnellt sie uns entgegen und schlägt uns ins Gesicht. Einmal ist Vergangenheit unser Halt und unser Nest, dann wieder eine würgende Schlinge.

Wir Deutsche kennen sie in beiderlei Gestalt.

Gewiß, es gibt viele Menschen, deren Dasein in stillen Winkeln verläuft, abseits vom Strom der Geschichte, wo ihr Lebenskahn sanft dahindümpeln darf. Diese Menschen können Heimat, Familie, Beruf als geschlossenes Kontinuum erleben.

Für mich war das anders - und für Millionen meiner Generation und der folgenden. Uns hatte die Geschichte früh am Wickel, uns hat sie gebeutelt und herumgeworfen, und selbst wenn wir, von liebenden Eltern behütet, eine Zeitlang das Gärtchen einer intakten Kindheit bewohnen durften, so grollte und dröhnte es doch von außen herein, bald näher, bald ferner. Wir lasen aus den besorgten Mienen der Erwachsenen, wenn sich wieder etwas Bedrohliches zusammenballte, wir spürten die allgemeine Not daran, wie kostbar plötzlich eine Scheibe Brot, ein Zuckerwürfel geworden war. Wir spürten freilich auch den Wechsel in freundlichere Zonen, wenn wir zu Weihnachten ein Paar nagelneue Schuge unter dem Christbaum fanden, wenn wir eine bessere Wohnung beziehen und uns an einen reichlich bestellten Tisch setzen durften.

Auch so kann Geschichte erfahren werden, in kleinen, ja winzigen Signalen des Alltags. Aber nicht jedermann ist bereit, sich mit diesen Einzelheiten zufrieden zu geben. Verlangen keimt auf nach Erkenntnis von Zusammenhängen, Hintergründen, nach Gestalt und Sinngebung. Man möchte die eigene splitterhafte Erfahrung vom großen Ganzen bestätigt sehen, möchte Partei ergreifen, für oder gegen etwas sein. So entsteht historisches Interesse und/oder auch politische Neigung. Beide verlangen dann ihrerseits nach sprachlichem Ausdruck.

Oder - nein? Vielleicht ist es genau umgekehrt? Nicht Außenwelt steht am Anfang, so mächtig es sich gibt, sondern Sprache - oder sagen wir´s etwas bescheidener: Sprachbegabung; eine besondere persönliche Hinneigung zum Wort; ein psychischer Innendruck, der auf Ausdruck zielt; da haben wir etwa das Kind, das nicht nur gern liest, sondern auch gern schreibt, das sogar der schulischen Aufsatzstunde entgegenfiebert. Das Kind, das erzählen will, oft nicht einmal recht weiß, was es erzählen will, sich aber randvoll fühlt von Energien. So kann anfangen, was wir dann später vielleicht das Leben eines Schriftstellers nennen dürfen.

Gesetzten Falles nun: Beide Komponenten treten zusammen: Die frühe Erfahrung von Ereignissen historischer Dimension; die emotionale Bindung an diese Dimension; dazu eine lebhafte Phantasie, die sich im Raum der Vergangenheit ergehen will, weil ihr dieser Raum in besonderer Weise erlaubt, den sprachkreativen Innendruck loszuwerden...So könnten, glaube ich, die biographischen Vorbedingungen aussehen, die sich bei Autoren historischer Literatur ausmachen lassen.

In meiner Jugend - Ende der Dreißiger Jahre - ging unter etlichen meiner Kollegen die Forderung um, der Schriftsteller dürfe nur das schreiben, was er selbst erlebt habe. Nur so könne er wirklich authentisch bleiben. Ich schätze die Kollegen, die diese asketische Theorie vortrugen. Doch sie schien mir so gar nicht zu dem zu passen, was ich unter Literatur verstand und liebte, und schon gar nicht zu dem, was ich in mir selbst an Vorstellungen und Plänen bewegte. Immerhin fühlte ich mich durch die harsche Forderung verunsichert, so als würde sie mich von vornherein aus allen höheren literarischen Möglichkeiten ausschließen.

Ich hätte den Kollegen erwidern können, daß der größte Teil der Weltliteratur selbst wieder historische Literatur sei. Spielte etwa die Ilias zu Homers, die Äneis zu Vergils Zeiten? Und hatten sich nicht unsere verehrten Klassiker mit Götz und Egmont, Tell und Penthesilea, Kohlhaas und Witiko ausgiebig aus der Geschichte bedient? Und haten sie damit historische Dichtung nicht ein für allemal hoch legitimiert?

Leider fiel mir dieses Argument bei der Diskussion mit den Kollegen nicht ein. Möglicherweise, so dachte ich schon etwas eingeschüchtert, ist nur uns Neueren das Schweifen in die Vergangenheit nicht mehr erlaubt. Möglicherweise übernehmen wir uns, wenn wir die Könige und Helden aufmarschieren lassen oder gar, wenn wir uns an das Genie heranwagen, an den Geistesriesen, ob Künstler oder Heiligen oder Politiker. Und in der Tat: hatte mich nicht selbst schon ein ödes Gefühl beschlichen bei der Lektüre von Mereowsky, wenn er sich Leonardos bemächtigte, bei Emil Ludwigs "Napoleon"?

So faszinierend die große Gestalt in das Feld der Geschichte hineinwirkt, so gefährlich ist es, sich belletristisch auf sie einzulassen, den belletristisch heißt ja auch immer besonders intim. Schon der Historiker hat es nicht leicht mit dem Giganten. Der Dichter gerät in die Rolle der Ameise, die einen Berg abtragen will.

Nun aber - Sie alle, meine Damen und Herren, kennen das Aperçu von Brecht: "Der Große Alexander eroberte Kleinasien und wurde dafür hochberühmt. Ja, war er denn dabei allein? Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?" Eine dialektische Formulierung, witzig, treffend, voll hintergründiger Bissigkeit. Denn natürlich hatte Alexander einen Koch bei sich, viele Köche sogar, und er hatte vor allem eine ganze Armee bei sich, die für ihn kämpfte und litt. Verdiente dieses namenlose Fußvolk der Weltgeschichte nicht auch unsere Aufmerksamkeit? Doch. Zweifellos. Und sollte es uns nicht reizen, das ganze Unternehmen der asiatischen Eroberungen einmal aus dem Blickwinkel dieses Fußvolks ins Visier zu nehmen, vielleicht eben des erwähnten Kochs als des zivilsten und bescheidensten Mitglieds des ganzen Heerwurms? - Ein prächtige Kontrastfigur zum vergöttlichten Heros!

Auf diesem Feld des kleinen Mannes, der anonymen Frau, ja, des eben zu sich selbst erwachten Kindes kann der Autor der historischen Erzählung seine Themen finden. Da haben wir dann etwa den jungen Pagen, der Gustav Adolf den Nachttrunk bereitet, oder Ben Hur, der, als gefesselter Sklave durch ein gewisses galiläisches Dorf getrieben, von einem Unbekannten mit einem Schluck Wasser gelabt wird; wir sehen Barrabas, den zelotischen Räuber, der anstatt Jesus Christus dem Kreuz entkommt, und sehen auch Oskar, den Blechtrommler, als ungerührten Kronzeugen des Untergangs seiner Heimat.

In summa: Zwischen den Randfiguren der Weltgeschichte darf sich also der Schreiber historischer Romane am wohlsten fühlen. Hier ist ein nahezu unbegrenztes Gebiet, in dem er sich bewegen kann, hier ist die epische Phantasie herrlich ermächtigt, frei zu schalten, zu vermischen, zu verformen, zu neuen Perspektiven durchzustoßen und zu deuten. Denn diese Neu-Deutung ist die unvergleichliche genuine Aufgabe seiner Kunst. Wozu taugte Kunst überhaupt, wenn nicht zu Neudeutungen, Neuinterpretatonen vorgegebener Bestände? (Darüber wird noch zu sprechen sein.)

Es ist nun freilich nicht abzuleugnen, daß dem Autor der historischen Erzählung verschiedene Risiken im Nacken sitzen. Ein ziemlich banales Risiko ist, daß der Autor über die von ihm erwählte Epoche einfach zu wenig weiß. Er hat nicht genug recherchiert - aber er kann eigentlich auch nie genug recherchiert haben. Ein anderes Risiko ist, daß sich der gute Mann in den Geist der Epoche gar nicht einleben kann. Wer etwa zur Zeit der Völkerwanderung seinen Lieblingsprotagonisten reden und agieren läßt wie einen Musterdemokraten den PC, der hat sein Arbeitsziel doch etwas verfehlt, und wer einen ägyptischen Reichsverweser aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr. über Gott und die Götter meditieren läßt wie einen Religionsgelehrten und Mythenforscher unserer Tage, der muß das schon mit so großer Kunst und mit so perfekter Souveränität tun wie Thomas Mann in seinem Josephsroman.

Immerfort schwebt der Autor historischer Belletristik in der Gefahr, in irgendeiner Sache geirrt zu haben und von einem besserwisserischen Fachmann zurechtgewiesen zu werden. Umberto Eco, Schöpfer des berühmten Romans "Der Name der Rose", hat eben über dieses Problem in seiner klugen Poetik-Vorlesung nachgedacht und ist zu dem weitherzigen Urteil gelangt, daß der kleine Schnitzer fast unvermeidlich und deshalb auch zu verzeihen sei; der grobe Schnitzer müsse natürlich vermieden werden.

Das ist ja tröstlich.

Nun aber- das Risiko des mit seinem Stoff nicht zutiefst vertrauten Autors ist noch ein anderes. Es tritt schon bei der Konzeption des Textes bzw. bei der Niederschrift auf. Es sind die zarten Unschärfen, die den Blick des Autors umnebeln, wenn er sich den Vorgang, den er darstellen will, nicht ganz genau - sozusagen bis auf Haar und Schattenstrich - vorbuchstabieren kann. Hier lauern Tücken schon in den nichtigsten Kleinigkeiten.

Zum Beispiel: Wir sind als Leser eines historischen Romans dazu eingeladen, dabei zu sein, wie der Held erwacht, aufsteht, sich ankleidet. Eilig schlüpft er in Hemd, Hose und Wams. Wie aber sehen diese Kleidungsstücke aus? Hat sie sich der Autor genau genug vergegenwärtigen können? - Er läßt seinen Helden ungeduldig an den Knöpfen fingern...Wie sind nun diese Knöpfe, groß oder klein, aus Holz, aus Horn oder Leder? Nein, nicht daß wir als Leser etwas über diese Knöpfe erfahren wollten, Gott bewahre! Aber sollte sich der Autor mit seinem Protagonisten nicht wirklich rundum aufs genaueste bekannt gemacht haben? Wir, seine Leser, sind nur begierig zu erfahren, warum der Mann in Eile ist, welche Hoffnungen, Erwartungen, Befürchtungen er hegt. Doch wird uns der Autor diese Hoffnungen, Erwartungen, Befürchtungen wirklich ganz plausibel machen können, wenn ihm so vieles am Bild seines Helden zu nebelhaftem Ungefähr bleibt?

Ach, werden Sie sagen, das sind Tüfteleien. Mag sein, Tüfteleien. Aber sie sollen die Herausforderungen der Phantasie kennzeichnen, die sich nun einmal auf die Suche nach einer versunkenen Welt begeben hat. Da tauchen tausend Fragen auf nach tausenderlei Quisquilien - in unendlicher Reihe.

Nun denn, wenn es wirklich so mühsam ist, ein geschichtliches, Geschichte gewordenes Ambiente aus dem Brunnenschacht der Vergangenheit zu hieven: warum, in Gottes Namen, ist es dann nicht viel einfacher und sicherer für den Schriftsteller, in der eigenen Gegenwart zu bleiben, in seiner Lebenszeit, wo ihm alles, bis zur geringsten Schattierung, vertraut oder doch leicht erschließbar sein muß? Was treibt ihn, diesen verbohrten Menschen, in die Vergangenheit? Statt daß er sie den gelernten Historikern zur Aufarbeitung überließe? Ja, was??

Ich war eine junge Autorin bzw. nicht einmal Autorin. Noch war mein erstes Buch, ein "Roman aus deutscher Frühzeit", nicht erschienen. Ich war in Berlin, dort hatten verschiedene Verlage Interesse an meinem Manuskript angemeldet. Dementsprechend war ich euphorischer Stimmung. Da aber sprach mich der Verleger Neff an. "Ja", sagte er, "Ihr Buch - gut und recht. Aber warum haben Sie es denn im 10. Jahrhundert angesiedelt? Hätten Sie es doch in die Gegenwart verlegt!" Ich war erstaunt und betroffen. Die Frage berührte mich an einer heiklen Stelle. Noch niemand hatte sie mir gestellt, und auch mir hatte sich das Problem noch gar nicht gestellt. So sehr war mir mein Thema, das Schicksal einer Frau, die ihr erstes Kind verstößt, von allem Anfang an in den historischen Raum hineingewachsen.

Jetzt begann ich zu grübeln: Warum? - Ja, warum hatte ich nie auch nur erwogen, die Geschichte in unser Jahrhundert zu verpflanzen? Ich gab mir selbst die Antwort: Weil mir jene ferne Zeit so viel bildhafter erschien. - Gut, diese Antwort war nicht falsch, aber sie war nicht erschöpfend. Denn was machte die Vergangenheit so viel bildhafter als die Gegenwart? Wer hat sie uns als so viel bildhafter vorgefertigt? Woher kommt es, daß ein historisch definierter Ort - z.B. ein verfallenes Schloß oder eine archaische Stube oder ein mittelalterlicher Marktplatz um so viel leichter zu poetisieren ist, das heißt, warum ist ihm so viel leichter eine symbolische Bedeutung abzugewinnen als einer modernen Fabrikanlage, einem modernen Büro oder einem Parkplatz? Spielt da nicht Unliterarisches Optisch-Ästhetisches herein, Unterschwelliges aus Moralisch-Religiösem, Kulturhistorisches überhaupt? Lauert da nicht hinter dieser leichteren Poetisierbarkeit eine Gefahr, die nämlich, daß man sich als Autor auf Längstvorgefertigtes, Allzuglatt-Vorgeschliffenes und damit auf Nicht-Authentisches einläßt? Diese Fragen verfolgten mich lange.

Wie ich soeben sagte: Ich habe mit einem Roman aus deutscher Frühzeit, genauer gesagt aus dem 10. Jahrhundert, begonnen. Die nächste Publikation "Die Mohrenlegende" handelte schon in der Kreuzzugszeit; der Roman, den ich im Krieg konzipierte, "Die Brüder von Lasawa" im 17. Jahrhundert...So habe ich mich allmählich in immer nähere Vergangenheit bis ins 19. Jahrhundert heraufgedient, da aber, im Roman meiner eigenen Mutterfamilie hatte ich durchaus nicht mehr das Gefühl, mich in einem historischen Raum zu bewegen. Da agierten Menschen, die ich noch gut gekannt hatte. Sie lebten in einem Haus, das mir vertraut war, zwischen Möbeln, die ich selbst benützt hatte - in meiner Nase war noch der Geruch, der aus ihren Schränken strömte.

Freilich - als ich dieses Buch "Das Haus der dunklen Krüge" zu schreiben begann - Spätwinter 1945 - war es schon so weit, daß ich mit Sicherheit wußte, dieses Land Böhmen, diese Stadt Pilsen, dieses Haus, mein Geburtshaus, werden mir in Zukunft genau so entrückt sein wie fernste Zeiten, eine Art Vineta, ins Unerreichbare versunken. Und vermutlich war es eben dieser Umstand, dieses Abgetauchtsein ins Endgültig-Verlorene, was meine Niederschrift motivierte.

Später habe ich drei Romane geschrieben, die zum größten Teil zu meiner Lebenszeit, vor und nach dem 2. Weltkrieg spielen. Erst in den 80er Jahren habe ich wieder in einem Briefroman rund um Jesus Christus einen historischen, hoch-historischen Pfad betreten, nicht so sehr weil mich das Bildhafte des Biblischen unwiderstehlich angezogen, weil mich die immanente Poesie des Neuen Testaments so bezaubert hatte, das auch, das auch! - Sondern weil ich mich einer Frage tief und schmerzlich verpflichtet fühlte und diese Frage betraf meine eigene Lebenszeit. Wie kann es denn nur geschehen, daß der Zeitgenosse mit Blindheit geschlagen ist dem gegenüber, was neben ihm oder in engster Nachbarschaft geschieht, daß er Entscheidungen nicht wahrnimmt, weder Gutes noch Böses, und daß er nichts von dem Muster erkennt, in das er selbst verwoben ist?...

Am Ende der Bibliographie

Die folgende Erzählung hat Frau Fussenegger als "Gruß für Freunde" geschrieben.

Die Nuss

Die Fenster waren klein und vergittert; Glyzinien und Wilder Wein, die Äste der Apfelbäume und die Wipfel der Rosenstöcke filterten das Sonnenlicht zu einer grünen, ganz leise flimmernden Dämmerung.

Unten führte der große Fluß seine breite Strömung. Wer zu ihm hinunterwollte, mußte über eine Treppe hinab und an Sonnenblumenbeeten vorbei noch eine Treppe hinunter, da war der Bach, schmal und träge und zwischen weichen Ufern sumpfend. Ehe er in die Mündung schlich, war er von einem Steg überspannt. Der verband den Plattenweg flußabwärts mit dem flußaufwärts oben auf dem Damm, der den Inn begleitete und ihn von Altwassertümpeln und Auwald und dem Steilufer dahinter schied. Da lagen zwischen Strom und Hang ein Gewirr von Weidenschöpfen und Wasserstraßen, eine Flucht von Wassersälen und -gängen, ineinanderverzweigt und labyrinthisch verwachsen. Hier konnte man baden oder mit einem Boote durch grüne Tunnels fahren, hier standen die Hechte lauernd auf Beute, hier raschelten Reh und Hase, und abends strich die Eule mit seidig flüsterndem Flug.

Daneben aber und jenseits des auf riesigen Steinen geschichteten Damms zog und wirbelte eilends und rauschte der Fluß.

Oben das Dorf - und immer wieder das alte Stift, aus dem man die Stiftsherren verjagt hatte in der josephinischen Zeit, und statt ihrer saßen nun die Verurteilten in den Zellen und Sälen, und am Sonntag sangen sie in der Kirche auf der vergitterten Empore.

Dann und wann begegnete man einem Trupp von ihnen. Es war üblich, daß Sträflinge, die kurz vor der Entlassung standen, auswärts zur Arbeit geführt wurden. Da um einen Keller auszuheben, dort um eine Straße zu schottern. So sollten sie sich wieder an die Freiheit gewöhnen, die ihnen bevorstand. Sie trugen noch ihre Sträflingskleider und zwei Aufseher begleiteten sie. Die Leute im Dorf waren den Anblick gewöhnt, sie sahen gar nicht hin. Ich aber sah hin und hörte zu, wenn Geschichten erzählt wurden über die Gefangenen, über diese und viele andere, die hier eingesessen hatten, - Generationen von Zuchthäuslern, Immer-wieder-Rückfälligen; immer wieder kam es vor, daß einer den Ausbruch wagte und flüchtete, und daß er dann gehetzt wurde. Jedesmal war das ganze Dorf mit auf den Beinen, Alt und Jung, und half mit bei der Treibjagd durch Feld und Wald, Busch und Sumpf. Als ich fragte, ob es denn nicht gefährlich sei, in solcher Nachbarschaft zu leben, erhielt ich zur Antwort: Keineswegs, denn selbst, wenn einer ausbrach von den Gesellen da drüben, dann lief er erst einmal so weit ihn die Beine trugen, ehe er den ersten Einbruch wieder wagte, und zumeist brach er nur ein, um sich Zivilkleider zu verschaffen. Hier aber im Dorf, so hieß es, traute sich keiner vor. Hier - im Schatten des Zuchthauses sozusagen - hier war man sicher. Darum ließ man nachts das Haustor offenstehen, die Räder lehnten an der Gartenmauer, man sorgte sich nicht.

Man erzählte viel von denen drüben, und man erzählte auch von den Revolten im ersten Weltkrieg, als es so wenig zum Essen gab überall, im Zuchthaus natürlich am wenigsten, da erlagen die Leute dem Hunger. Man erzählte auch vom Schmuggel an der Grenze, und wie man die Zöllner oft getratzt und irre gemacht und was man ihnen für Schabernack gespielt hatte; und erzählte auch die schreckliche Geschichte von der Räuberbande, die hier noch vor hundert Jahren ihr Unwesen getrieben und die ganze Gegend in Schrecken versetzt hatte. Eines Nachts war es einem Bauern gelungen, einen der Räuber zu erwischen. Er hatte ihn in einer Art Falle gefangen, als dieser einsteigen wollte, so hing er jetzt in der Fensterluke und konnte nicht vor und nicht zurück. An beiden Armen band ihn der Bauer fest und: "Morgen", so drohte er ihm, "wirst du auf das Gericht gebracht und einen Kopf kürzer gemacht." - Doch so lange dauerte es gar nicht, bis der ertappte Räuber seinen Kopf verlor, denn noch in derselben Nacht verlor er ihn unter den Händen und Messern seiner eigenen Kumpane, damit er sie nicht verriete. Damit er auch nicht erkannt werden konnte, schnitten sie ihm den Kopf ab, zogen ihn aus bis auf die Haut und nahmen Kopf und Kleider mit; so verwischten sie ihre Spuren und retteten sich selbst.

Auch andere, schlimme Geschichten wurden mir erzählt, von dem Metzger etwa, der seine Dogge dazu abgerichtet hatte, die Kälber totzubeißen; so ersparte er sich das Schlachten.

Aber auch lustige Geshcichten hörte ich, so wie die von der buntbemalten Henne, die man als mexikanisches Zuchthuhn ausgab. Jedermann wollte ihresgleichen züchten, nicht genug Eier konnte sie legen, - teuer wurden sie verhandelt - und bitter war die Enttäuschung, als niemals ein buntes Küken schlüpfte. Oder die Geschichte von der Ziege, die es liebte, im heißen Sommer in einem kühlen Bett zu liegen; jeden Nachmittag schlüpfte sie ins Haus und kletterte in einem unbewachten Augenblick die Treppe hinauf und legte sich, nachdem sie ihre schwarzen Perlen über den Bettvorleger gestreut, auf die blumige Decke und das weiße Kissen.

Ich schrieb nachts in der Werkstatt, wenn alle anderen schliefen, an dem Buch, das ich damals in Arbeit hatte. Ich schrieb die letzten Kapitel und führte bangen Herzens die letzten Korrekturen aus. Es wurde oft ein und zwei Uhr nachts darüber. Da - es war wieder einmal sehr spät geworden - überfiel mich plötzlich eine unerklärliche Beängstigung. Auf einmal hörte ich die Mäuse unter den Dielen rascheln und die großen braunschwarzen Lederkäfer hinter dem Schrank krauschen, sie hausten dort zwischen Papierrollen und Mappen und nährten sich von dem staubigen Wust. Auf meinem Arbeitstisch stand eine Flasche Kaiserbirnlikör. Ich hatte davon getrunken, ahnungslos und unerfahren im Umgang mit Alkohol, wie ich war. Immer wieder hatte ich mein Glas gefüllt, als handelte es sich dabei um einen harmlosen süßen Saft. Ich spürte meinen Kopf plötzlich so hell und leicht und meine Sinne geschärft für sonst Kaum-Bemerkabares. So wuchs mir das Huschen der Mäuse und das Rascheln der Lederkäfer zu einer Art Lärm an - und als ich aufsah, sah ich, daß in der Ecke über meinem Tisch ein großes Spinnennetz hing, und daß sich in diesem Netz soeben eine Fliege gefangen hatte. Sie summte auf, entsetzt, und versuchte sich zu befreien, sie ließ ihre Flügel schwirren und ihre schwarzen dünnen zitternden Beinchen zappeln. Aber sie kam nicht los von dem klebrigen Faden und klebte nur fester, schon war auch ein Flügel gefangen und nun der zweite. Da sauste die Spinne heran und stürzte sich auf ihr Opfer. Riesig und grau, eine Maschinerie der Mordlust. Und ich - ich schrie laut und gellend auf und stürzte davon.

Im nächsten Jahr kam ich wieder und war wieder in der Werkstatt. Jetzt war auch schon mein jüngstes Kind bei mir, das ich inzwischen geboren hatte und von dem es hieß, es werde einmal hier Herr des Hauses sein. Doch kam dann alles noch einmal anders, denn der Fluß, der große, der seit Urzeiten in rascher Wirbelströmung vorübergezogen war, wurde verbaut, gedämmt und gestaut - und damit heraufgebracht aus seinem alten Bett und den dicht umbuschten Ufern, über das Tälchen mit seinen Weiden, über den Garten mit seinen Treppchen, über den Hof sogar mit seinen Rosenbüschen und Apfelbäumen. Das Haus wurde abgerissen und niedergewalzt, das alte rosa und grünumwucherte mit dem Strohdach, mit den Totenkränzen und den Brautbouquets; auch das neuere Haus mußte weichen, samt Turm und Werkstatt - alles wurde kahlgeschlagen und eingeebnet - mit einer Betonwanne überkleidet. Da gluckst nun das Wasser und klatscht gegen die Ufer.

Ich aber lebe mit den Bildern - und in der Nuß.

 

Zu "Das Haus der dunklen Krüge" als weiteres Autorenzitat:

Als ich dieses Buch "Das Haus der dunklen Krüge" zu schreiben begann - Spätwinter 1945 - war es schon so weit, daß ich mit Sicherheit wußte, dieses Land Böhmen, diese Stadt Pilsen, dieses Haus, mein Geburtshaus, werden mir in Zukunft genau so entrückt sein wie fernste Zeiten, eine Art Vineta, ins Unerreichbare versunken. Und vermutlich was es eben dieser Umstand, dieses Abgetauchtsein ins Endgültig-Verlorene, was meine Niederschrift motivierte.

Zu "Sie waren Zeitgenossen" als Autorenzitat:

in den 80er Jahren habe ich wieder in einem Briefroman rund um Jesus Christus einen historischen, hoch-historischen Pfad betreten, nicht so sehr weil mich das Bildhafte des Biblischen unwiderstehlich angezogen, weil mich die immanente Poesie des Neuen Testaments so bezaubert hatte, das auch, das auch! - Sondern weil ich mich einer Frage tief und schmerzlich verpflichtet fühlte und diese Frage betraf meine eigene Lebenszeit. Wie kann es denn nur geschehen, daß der Zeitgenosse mit Blindheit geschlagen ist dem gegenüber, was neben ihm oder in engster Nachbarschaft geschieht, daß er Entscheidungen nicht wahrnimmt, weder Gutes noch Böses, und daß er nichts von dem Muster erkennt, in das er selbst verwoben ist?

 

Nach der Bibliographie und "Die Nuss"

Anläßlich der Ereignisse der Jahreswende 1989/1990 schrieb die Autorin die folgenden Zeilen

IN BRENNENDER SORGE

WELTAUGENBLICK

(Präsidentschaft Gorbatschow)

Gebt ach,

der Gigant

wankt,

seit ihm die Maske

vom Gesicht glitt.

Jedermann weist mit Fingern auf ihn:

Schaut her,

die Kerben, Narben, Runzeln,

verwelkte Hoffnungen,

vergebliche Mühsal,

sogar die häßlichen Schwären

alter Bluttat.

Der Gigant wankt.

Aber gebt acht.

Er ist noch milliardentonnenschwer,

übergenug,

uns im Fall

unter sich zu begraben.

 

NOVEMBER 89

Diese Tage,

nie erwartete.

Einen Augenblick lang

die reine Flamme der Freude.

Einen Augenblick nur -?

nicht länger-?

Oh, daß doch-!

Nein, begrabe

kindische Hoffnung!

Nichts geschieht in der Zeit,

was ungetrübt bliebe

auf Zeit.

Lern es ertragen

und hindurchgehen

wie das Spatenblatt durch das Erdreich,

scharf und blank!

 

PRAG, DEZEMBER 1989

In ihrem festlichsten Saal

singen sie heute

unter Tränen

Beethovens Neunte,

Das Lied an die Freude

im Urtext:

deutsch.

Vor knapp vierzig Jahren

sprach eine alte Frau

in einem Beserlpark derselben Stadt

Kleinkinder an,

deutsch:

Wie heißt du denn, Mauserl?

Gib mir dein Patscherl!

Die empörten Mütter

trieben die alte Frau

mit Stecken von ihrer Bank.

Jetzt unter Tränen

in ihrem festlichsten Saal

im Urtext das Lied an die Freude.

Rätsel,

o Rätsel

der Götterfunken.

 

BERLINER MAUER

1961-1989

Mit Tränen überschwemmt

die Mauer,

an der so lange

geschossen wurde und gestorben.

Gestorben nämlich von beiden,

Opfern und Schützen,

von diesen

einen langen Tod.

 

ÜBERRASCHUNGEN

Jahreswechsel 89/90

Herr Modrow

konnte kaum damit rechnen,

in die Weltgeschichte berufen zu werden.

Er wurde

berufen.

Herr Havel

konnte im Gefängnis

nicht davon träumen,

zum Staatspräsidenten

gewählt zuu werden auf dem gloriosen Hradschin.

Er wurde gewählt.

Herr Ceaucescu

hat sich zwar vorgesehen

mit unterirdischen Fluchtwegen,

Labyrinthen

voll Waffen, Sauerstoffflaschen,

Speckseiten, Medikamenten,

Fernsehern, Radiostationen -

Alles vergeblich,

als das Volk einmal aufschrie.

Die Ratte floh über den Himmel,

aber nicht weit.

Erwartung, Traum, Vorsicht

- nichts als eine Handvoll

Distelsamen, wenn das Wetter umschlägt.

Wo schlägt es hin,

wenn unsre Pläne, Träume, Erwartungen

einmal zu Distelsamen

geworden sein werden...?

 

FERNSEHEN 90

Ich sehe diese Bilder,

allabendlich in meine

Stube hereingespielt,

die Tänzer auf der Mauer

zum Beispiel -

Nicht immer fällt mir die Vokabel

VOLK

dabei ein.

Statt dessen:

HORDE.

Dann duck ich mich etwas verwirrt

über den Topf meiner Erfahrungen

und wünschte, er wäre

nicht so tief.

 

HASEN HUNDE MORGENROT

(Nach dem Sturm auf die Normannenstraße Februar 90)

Die finstre Zwingburg gesprengt.

Das große Morgenrot

schlägt alle Tore auf.

So heißt es.

Heißt es.

Hinter Zäunen Rolläden Gardinen

haben sich tausend kleine Finsternisse

eingenistet.

Zu lang und zu viele

hat die Tyrannis

in ihre Dienste genommen,

hat sie wie Hunde

abgerichtet auf Hasenjagd.

Hasen und Hunde

sind Engverwandte in diesem Fall.

So mancher Hase

wurde zum Hund.

So mancher Hund

zum Hasen.

Nun unterscheide!

Der Nachbar sagt vom Nachbarn:

Er scheint ein Hase,

in ihm steckt ein Hund,

ich hab ihn vorige Nacht

bellen gehört.

Die Mutter sagt vom Sohn:

Für einen Hund

habt ihr ihn immer gehalten.

In Wahrheit war er ein Hase

immer schon. Schon als Kind

hat er am liebsten

Möhren gegessen.

Tausende graben

nach ihrer Hasenvergangenheit

und zittern davor,

daß ihre Hundevergangenheit

offen liegt.

So hocken sie

bebend

in ihren kleinen

häßlichen Finsternissen

unter dem großen

großen

herrlichen Morgenrot.

 

ZEILEN AN ÖSTERREICH

Juni 90

Schmollend

stehst du im Abseits,

Österreich, du mein lieb Vaterland,

in den Weltmeisterspielen

der großen Veränderungen,

die ausgetragen werden

zwischen Rhein und Wladiwostok,

atemberaubend,

schwindelerregend,

selbst im dicksten Fell

sträubt sich das Haar.

Da werden Tore geschossen,

Tore! Tore! - auch

Eigentore vermutlich

im Gedränge. Tore sinds allemal.

Du, Österreich, hast deine große Stunde

schon lange dahingehabt.

Leicht verbittert

siehst du dein Belvedere,

das elegante Schloß des Prinzen Eugen

jetzt überholt von zerhackten Mauern

und aufgerollten Stacheldrahtzäunen.

Dein GROSSES GLÜCK damals

plötzlich so kleingeschrumpft

zu Noricum und Lucona.

Indessen-

gib acht! Spitze die Ohren! Vielleicht

holt dich der Wink

eines unbekannten Schiedsrichters von der

Wartebank

demnächst zu neuem,

nie erwarteten Spiel.

Dann - spiele gut!

 

WAS DANN?

1991

Wo war

der westliche Kopernikus,

der den östlichen Ptolemaios

ausgepunktet hätte

mit Argumenten, unwiderleglichen? -

Wo?

Anderes

hat sich zu Wort gemeldet:

die kaputten Dinge,

sie haben ihre Stimmen erhoben,

sie: die trotzigsten Dissidenten,

die unbeugsamsten Widerständler:

Der verrostete Kran,

die holprige Straße,

die im Acker verfaulte Kartoffel,

das Loch im Dach, das niemals geflickte.

Sie haben ihre Stimmen erhoben

und Ptolemaios´ starres System

außer Kraft gesetzt.

Was aber,

wenn wir,

glückliche Erben kopernikanischer Klugheit,

nichts weiter vorzuweisen haben

als gut gewartete Kräne,

glatt asphaltierte Straßen,

die im Supermarkt immer griffbereiten,

wohlverpackten Kartoffelchips

(als Komfort, Perfektion und so weiter) - ?

Was dann,

falls sichs der Weltgeist einfallen ließe,

eine zweite und dritte

kopernikanische Wende von uns zu fordern-?

Was dann-?

 

WELTLAGE

1

Wie heiter

die Stunden der Übereinkunft,

wenn in Prunksälen

unter Blitzlichtgewittern

Unterschriften gesetzt,

Ledermappen getauscht werden.

Die Welt ("die Erste"),

atmet auf:

alte Feinde versöhnt,

neue Bünde geschlossen -

fragt sich nur, gegen wen.

 

2

Die südliche Hemisphäre

beginnt sich

unter die nördliche

einzustülpen.

Schon kracht es

in Nut und Feder.

Groß ist die Kraft

der Heuschreckenschwärme,

der Termitenheere,

der wandernden Verzweiflung.

Stärker als Atlas

stemmt sie den Weltbau

aus den Angeln.

 

3

Rund um den Erdball

treibt das Floß der Medusa

unter dem schwarzen

Segel des Elends,

Balken und Bohlen

von Hunger benagt

und von Wut.

Das Floß der Medusa

nimmt Kurs auf die Insel

der Seligen (klugen,

unweisen Prasser).

Landung erbeten.

Landung verweigert.

Geschlossen die Häfen.

Verrammelt die Buchten.

An blühenden Stränden

werden noch immer Feste gefeiert.

Da rauchen die Feuer,

da schallt das Gelächter.

Das Floß der Medusa

treibt aus den Sunden.

Das Haupt der Medusa

liegt starren Blickes

über der Kimm,

unvertreibbar, ein unheilvoller

blutig drohender

Morgenstern.

 

 

Komplett ersetzen:

Biographie

Als Tochter eines k.u.k.-Hauptmannes wurde Gertrud Fussenegger am 08. Mai 1912 in Pilsen noch in die Donaumonarchie hineingeboren. Ihre Mutter stammte aus einer Buchhändler und -druckerfamilie - ein Urgroßvater war Mitbegründer der berühmten Pilsener Brauereibetriebe. Ihr Vater war Vorarlberger und als Offizier an verschiedenen Standorten stationiert. Nach den ersten Lebensjahren in Neu-Sandez/Galizien (bis ins Alter von 2 Jahren), Pilsen, Dornbirn (Vorarlberg), Telfs und Hall (beide in Tirol) lebte sie nach dem Tod der Mutter wiederum in Pilsen, wo sie 1930 ihr Abitur am Realgymnasium machte. Anschließend entschied sie sich für ein Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie an den Universitäten von Innsbruck und München, welches sie 1934 mit einer Dissertation über den zweiten Teil des altfranzösischen Rosenromans abschloß ("Gemeinschaft und Gemeinschaftsbildung im Rosenroman von Jean Clopinel von Meun"). Von Anfang an kam als Berufsziel für sie ausschließlich das Schriftstellerische in Frage. Zwei Jahre später stellten sich die ersten Erfolge ihrer Tätigkeit ein, die sie seither kontinuierlich fortführt.

Während des Zweiten Weltkrieges und danach lebte sie in München und Hall in Tirol. 1961 zog sie nach Leonding bei Linz, wo sie heute noch lebt, schreibt und ihren Hobbies Wandern und Schachspielen nachgeht.

Frau Fussenegger war in erster Ehe ab 1937 mit dem Bildhauer Elmar Dietz, in zweiter Ehe seit 1950 mit Alois Dorn, ebenfalls Bildhauer, verheiratet und hat fünf Kinder sowie 12 Enkelkinder.

Zu ihren vielen Umzügen äußert sich die Autorin selbst: "Dieser Ortswechsel hat mich bestimmt sehr beeinflußt. Ich bin an manchen Orten schnell wieder zu Hause, aber an vielen Orten dann doch daheim...Das Alpine hat etwas viel kargeres als etwa der slawische Raum. Hier haben die Menschen lange mit Hunger gelebt und mußten mit dieser harten Landschaft zurandekommen. Das hat sie unverwechselbar gemacht. Im slawischen Raum war zwar die Leibeigenschaft viel länger und auch da gab es lange viel Elend, besonders in der Frühindustrialisierung, aber irgendwo hat man dort eben doch eher das Leben zu genießen versucht. Der Kommunismus hat sich natürlich als eigene Atmosphäre schwer über die Landschaften und über die Menschen gelegt."

 

Bibliographie, hinter Werken

Beiträge in Büchern

Wuchs und Bildung

in: von Ebner-Eschenbach, Marie; Der Erstgeborene. Erzählung, Reclam, Leipzig 1940, p. 111-118

Meine Erinnerung an Binding

in: Barthel, L.F. / Neff, P. (Hg.); Das war Binding. Ein Buch der Erinnerung, Wien u.a. 1955, p. 231-235

Fastnacht

in: Fehse, W. (Hg.); Deutsche Erzähler der Gegenwart, Reclam jun., Stuttgart 1959, p. 106-111

Dame am Steuer

in: Karsch, W. (Hg.); Prosa 62/63 Siebenundzwanzig deutsche Erzählungen aus unserer Zeit, Herbig, Berlin 1962, p. 46-49

Mir selbst und andere Gedichte

in: Lachs, M. (Hg.) / Braun-Prager, K. (Mitarbeit); Und senden ihr Lied aus. Lyrik österreichischer Dichterinnen vom 12. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Jugend & Volk, Wien 1963, p. 153-155

Wandern auf den Höhen

in: Frass, H. (Hg.); Südtirol in Farben, Tyrolia, Innsbruck 1964, p. 127-130

Dialog mit einer Stimme

in: Schiffkorn, A. (Hg.); Zwischen den Ufern. Eine Anthologie, Trauner, Linz 1966, p. 20-27

Das alte Haus in Böhmen

in: Knoblock, E.J. (Hg.); Das Land meiner Kindheit. Sudetendeutsche Dichter erzählen aus ihrer Kindheit, Aufstieg, München 1966, p. 12-17

Österreichisches Kulturbewußtsein gestern und heute

in: Löbl, R.; Farbiges Österreich, Tyrolia, Innsbruck 1968, p. 5-18

Über Kunst und Künstler

in: Stillere Heimat, Linz 1969, p. 14-22

Aufriß eines Lebens

in: Schremmer, E. / Gottschalk, H. (Hg.); Ziel und Bleibe, Delp, München 1968, p. 173-178

Nach jener Zeit befragt

in: Drewitz, I. (Hg.); Städte 1945. Berichte und Bekenntnisse, Eugen Diederichs, Düsseldorf 1970, p. 165-170

Dora Dunkl, ein Portrait

in: Dunkl, D.; Fortdauer der Erinnerung, Bergland, Wien 1972, p. 61-64

Vorwort

in: Schanovsky, H.; bidd scheen, laud lesn. Dialektgedichte, Gutenberg, Linz 1975, p. 5-12

Sprache zwischen Tradition und Abenteuer

in: Richter, F. / Rocek, J. (Hg.); Österreich im Spiegel des Essays. Das XX. Jahrhundert, Österr. Schriftstellerverband, Wien 1978, p. 80-85

Sieben Notizen zum Gegenstand

in: Jung, J. (Hg.); Glückliches Österreich. Literarische Besichtigung eines Vaterlands, Residenz, Salzburg 1978, p. 71-83

Fünf Notizen über das Schreiben

Kaltenbruner, G.-K. (Hg.); Noch gibt es Dichter. Außenseiter im Literaturbetrieb, Herder TB, München 1979, p. 133-137

Gegen den Dämpfer

in: Literaturalmanach auf das Jahr 1979. Vom Gebrauch des Weines, Residenz, Salzburg 1979, p. 36-38

Die Frau in der Passion

in: Thomson, E. (Hg.); Ich erzähle Euch alles, was am Ostersonntag geschah, Martin, Buxheim/Allgäu o.J., p. 164-167

Der Lo-Eatz

in: Friedrich, M. (Hg.); dtv junior Lesebuch. Neue Geschichten, Gedichte und Bilder für Kleine und Große zum Lachen und zum Nachdenken, München 1971, p. 30-50

Mensch und Landschaft und etliche Sorgen

in: Landschaft und Mensch, Humboldt-Gesellschaft, Mannheim 1981, p. 185-206

Versteckte Spiele

in: Besch, L. (Hg.); Stundenbuch der Freundschaft, Sanssouci, Zürich 1981, p. 93-94

Von der Natur der Donau

in: Cropp, J.A.; Die Donau, Alpha 9, Eschborn am Taunus 1981, p. 6-20

Chance und Risiko: Die bösen Tage von Klagenfurt

in: Fink, H. u.a. (Hg.); Klagenfurter Texte 1981 zum Ingeborg-Bachmann-Preis 1981, List, München 1981, p. 304-313

Der Gott, den niemand für möglich hielt

in: Christkind Suche. Künstler fragen nach dem Sinn von Weihnachten, Literas, Wien 1982, p. 63-68

"Eine große, ernste, gütige Welt, auch hier." Reiseerinnerungen aus Jugoslawien und Griechenland

in: Hamberger, H. u.a. (Hg.); Facetten ´82. Literarisches Jahrbuch, Jugend & Volk, Wien 1982, p. 7-17

Aus dem Logbuch einer schriftstellerischen Existenz

in: Kubelka, M. / Künzel, F.P. (Hg.); Begegnungen und Erkundungen. Eine Anthologie der Künstlergilde, Delp, München 1982, p. 152-157

Davongekommen

in: Italiaander, R. (Hg.); Wir erlebten das Ende der Weimarer Republik. Zeitgenossen berichten, Droste, Düsseldorf 1982, p. 192-193

Dame im besten, fast schon ausgestorbenen Sinn

in: Schmölzer, H.; Frau sein & schreiben. Österreichische Schriftstellerinnen definieren sich selbst, Österr. Bundesverlage, Wien 1982, p. 73-82

Die Schwierigkeit, du zu sagen

in: Wieviele Sternwürfe weit? Künstler fragen nach Gott, Literas, Wien 1983, p. 41-49

Die Botschaft der Wörter

in: Kultur und Glaube. Dokumentation, Österr. Katholikentag 1983, Graz, p. 32-33

Deutsche Erbsen aus dem Dreck

in: Jung, J. (Hg.); Vom Reich zu Österreich. Kriegsende und Nachkriegszeit in Österreich, erinnert von Augen- und Ohrenzeugen, Residenz, Salzburg 1983, p. 143-153

Tod in dieser Zeit

in: Schäfer, H. (Hg.); Was bedeutet der Tod für Sie? Prominente antworten, Ariston, Genf 1983, p. 62-67

Schenken

in: Walter, R. (Hg.); Das Glück liegt auf der Hand. ABC der Lebensfreuden, Herder, Freiburg 1984, p. 247-248

Die Totenmesse

in: Koch, H.G. (Hg.); Christ sein - Mensch sein. 33 Aussagen, Schwabenverlag, Ostfeldern bei Suttgart 1984, p. 39-42

Unrast und Erde. Die Romane

in: Fussenegger, G. u.a. (Hg.); Das Waggerl Lesebuch, Otto Müller, Salzburg 1984, p. 65-75

Ein Brief zur Sache

in: Kaltenbruner, G.-K. (Hg.); Der asketische Imperativ. Strategien der Selbstbeherrschung, Herder, München 1985, p. 148-154

"Die fast vergessnen Lustgemächer". Topoi des Vollkommenen bei Mörike und Stifter

in: Stepanek, P. (Hg.); Prosa dund Lyrik oberösterreichischer Schriftsteller, Landesverlag, Linz 1985, p. 71-79

Betroffenheiten. Ein Versuch über die Kunst

in: Krainer, J. u.a. (Hg.); Nachdenken über Politik. Jenseits des Alltags und diesseits der Utopie, Styria, Graz 1985, p. 208-213

Die Türhüter. Ein Essay

in: Kienecker, F. / Wolfersdorf, P. (Hg.); Dichtung, Wissenschaft, Unterricht. Rüdiger Frommholz zum 60. Geburtstag, F. Schöningh, Paderborn 1986, p. 43-45

Geschleifte Festung. Gerüstete Landschaft: Ingolstadt

in: Hofmann, S. / Reissmüller, W. (Hg.); Ingolstadt an der Donau, Donau Courier, Ingolstadt 1986, p. 11-17

Mamachen Malacitana

in: Sebestyen, G. (Hg.); Beispiele. 32 österreichische Erzähler der Gegenwart, S. Mohn, Gütersloh 1987, p. 148-161

Stifter als pädagogische Instanz

in: Stifter Jahrbuch, Neue Folge 1, München 1987, p. 49-51

Spuren im Schnee

in: Thuswaldner, D. (Hg.); Weihnacht in Österreich. Erzählungen, Ueberreuter, Wien 1987, p. 151-160

Das Wiedersehen. Erzählung - Auszug

in: Literarische Reise in 70 Städte der deutschen Ost- und Siedlungsgebiete. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 1987, p. 281-284

Grenzen im Grenzenlosen

in: Vorarlberg. Ein Kulturprofil, Vorarlberger Verlagsanstalt, Dornbirn 1987, p. 9-12

Leser Fragen - Ein Autor versucht zu antworten

in: Zeman, H. (Hg.); Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins, Band 89/90/91 - 1985/1986/1987

Kleines Intermezzo

in: Taubnitz, M. (Hg.); Schön wie der Mond. Ein Meersburger Lesebuch, regio Verlag Glock und Lutz, Sigmaringendorf 1988, p. 91-92

Briefe

in: Bosch, M. (Hg.); Josef W. Janker: Jankerbriefe. Literarische Korrespondenz 1951-1987, Robert Gessler, Friedrichshafen 1988, p. 54-58 et 67-68

Die Arme Miss Brewster

in: Literatur um 11, Heft 3, Hitzeroth, Marbug a.d.L. 1988, p. 6-14

Kirche und Kunst suchen neue Wege zum Menschen

in: Csoklich, F.; Der Papst in Österreich, Styria, Graz 1988, p. 63

Die Selbstverwirklichung des Einzelnen in der Masse

in: Zwischen Ich und Wir. Referate einer Schriftstellerbegegnung, Wagner, Innsbruck 1988, p. 11-29

Die Wände bleiben durchlässig

in: Thiele, C.P.; Christlicher Glaube und Literatur 3, R. Brockhaus, Wuppertal 1989, p. 82-94

Vorwort

in: Schanovsky, H.; Telebilder, Hitzeroth, Marburg 1988, p. 7-8

Schiller in der österreichischen Provinz (Impressionen, Erinnerungen)

in: Zeman, H. (Hg.); Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins, Band 92/93 - 1988/1989, p. 155-158

Landschaft als Weltbild an den Beispielen Goethe, Eichendorff, Stifter. Ein Vortrag

in: Leisch-Kiesl, M. / Savio, E. (Hg.); Die Wahrheit der Kunst. Wider die Banalität. Für Günter Rombold zum 65. Geburtstag. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1989, p. 71-87

Alois Dorn, ein Leben für Figur und Raum

in: Innviertler Künstlergilde, Jahrbuch 1988/89, p. 33-39

Fähren und Fergen

in: Kampmüller, O. / Thanhäuser, Ch. (Hg.); Ottensheim in der Literatur, Ed. Thanhäuser, Ottensheim 1989, p. 264-265

Das Spiel der Corares

in: Gimmelsberger, E. (Hg.); Rauriser Lesebuch 2, Leykam, Graz 1990, p. 66-75

Das 15. Kapitel Matthäus

in: Härtling, P. (Hg.); Textspuren 1. Konkretes und Kritisches zur Kanzelrede, Radius, Stuttgart 1990, p. 199-205

Über Berge und Täler - Strukturen der Landschaft. Die Topographie und ihre Auswirkungen auf die Lebensform

in: Sebestyen, G. (Hg.); Spectrum Austriae, Compress, Wien 1990, p. 14-32 et 57-59

Einige Notizen zum Thema Gespräch

in: Feichtlbauer, h. u.a. (Hg.); Zwischenrufe. Festschrift zum 60. Geburtstag von Eduard Ploier

Reisebekanntschaft

in: Gezeiten. Anthologie. Texte und Bilder oberösterreichischer Autoren, Autorenkreis Linz 1990, p. 144-146

1 Petr. 1,3-9

in: Härtling (Hg.); Textspuren. Konkretes und Kritisches zur Kanzelrede 2, Radius, Stuttgart 1991, p. 110-112

 

Beiträge in Zeitschriften (eine Auswahl)

Sinnesverkehrungen. Zu Thomas neuem Roman "Doktor Faustus"

in: Leitgeb, J. u.a. (Hg.); Wort im Gebirge, Schrifttum aus Tirol, Tyrolia, Innsbruck 1949, Folge 2, p. 57-85

 

Versuch zu einem Selbstportträt

in: Leitgeb, J. u.a. (Hg.); op.cit., Innsbruck 1953, Folge 5, p. 127-129

 

Eine Generation rückt ins Licht. Aus den Ergebnissen einer kritischen Wertung

in: Leitgeb, J. u.a. (Hg.); op. cit., Innsbruck 1954, Folge 6, p. 23-26

 

Das Problem der Polarität. Gedanken und Form im Kunstwerk

in: Leitgeb, J. u.a. (Hg.); op. cit., Innsbruck 1963, Folge 10, p. 7-14

 

Plan und Abenteuer. Interview

in: Leitgeb, J. u.a. (Hg.); op. cit., Innsbruck 1972, Folge 13, p. 19-29

 

Kindheit im Oberland

in: Merian, Heft 4, Hamburg 1951, p. 37-45

 

Vom Gebirge geprägt

in: Merian, Heft 8 "Innsbruck", Hamburg 1955, p. 3-10

 

Hier beginnt der Süden

in: Merian, Heft 10, Hamburg 1957, p. 3-7

 

Die neunhundert endlosen Tage

in: Merian, Heft 11, Hamburg 1966, p. 74-80

 

Traun und Enns und ein blaues Band in der Ferne

in: Merian 11/1972, p. 6-10

 

Die Schwestern

in: Merkur, Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Stuttgart 11/1957, p. 149-167

 

Bilderbuch höfischen Lebens. Das Stundenbuch des Duc de Berry

in: Westermanns Monatshefte, Braunschweig 1958/2, p. 14-19

 

Zwischen Grimming und Trisselwand

in: Westermanns Monatshefte, Braunschweig 1961/6, p. 32-36

 

Aufzeichnungen von einer Reise

in: Wort in der Zeit, Österreichische Literaturzeitschrift, Graz 1965, 1-2, p. 105-107

 

Barocke Wasserkünste

in: Der Turm, Eine Zeitschrift für den Arzt, 1965/3, p. 19-22

 

Lob des Periodischen

in: Literatur und Kritik, Salzburg 1966, 203/204, p. 100-102

Ein gutes Buch ist ein Glücksfall; aber es ist - in einem gewissen Ausmaß - auch ein Unglücksfall: Man hat sich hineingelesen, hineinvergraben, man möchte am liebsten nicht mehr heraus. Mit Bedauern sieht man die Seitenzahl schwinden, und am Ende kommt es zu einem beinah schmerzlichen Abschied. Ein einmaliges Erlebnis ist dahin.

Bei einer Zeitschrift ist das anders. Vorausgesetzt: man mag sie! - ist die jeweilige Nummer eine neue Begegnung mit etwas Wohlbekanntem, etwas wie eine sanfte Paradoxie. Zeitschrift - das ist ein Ding, das von Zeit zu Zeit wiederkehrt. Der lateinische Name periodicum drückt das noch besser aus. Periodische Rückkehr - das hat etwas Tröstlich-Beruhigendes; da dreht sich das Rad der Zeit und bleibt doch in seiner Nabe. Da hat das Ereignis Bestand, und die allgemeine Ungewißheit, die uns so oft bedrängt, zeigt etwas wie eine kleine Lücke.

Ich möchte sagen: Alles, was unserem Leben Rückhalt und Freude beschert, tritt periodisch ein. In unserer Kindheit sind es Osterhase und Christkind, in unseren späteren Jahren dies und jenes: für den Gläubigen das Kirchenjahr mit seinen Hochfesten, für den Agnostiker doch mindestens die Urlaubsreise oder der Gehaltsempfang; und schließlich für alle, die Famlie haben, in Familie leben, die regelhafte Ordnung der feiernden Zusammenkünfte: Geburtstage und Jubiläen.

Ist es zu kühn zu behaupten, das Gerüst unserer Kultur hänge in einem Koordinatennetz verläßlicher Wiederkehr? Ohne periodica (periodica im weitesten Sinn!) kein Brauch, keine Sitte, keine Gesittung, auch keine Gesellschaft. Und schließlich: im Zustand hochentwickelten Bewußtseins kein wissenschaftliches Fach ohne periodische Auffrischung, Befestigung, Erweiterung, in welcher Form auch immer; durch Symposien und - selbstverständlich - durch Zeitschriften.

Der Arzt, der Naturwissenschafter, der Jurist wollen periodisch neu informiert werden. Wie sollte der Literat oder Literaturfreund darauf verzichten?

Auch der leidenschaftliche Leser kann sich nicht mit allen Büchern bekannt machen, die für ihn einschlägig sind. Um einen neuen Namen kennenzulernen, kann er sich nicht gleich auf 300-500 Seiten Lektüre einlassen. So vertraut er sich einem Fachmann an, dem Herausgeber oder dem Herausgeberteam einer Zeitschrift. Diese Leute werden, so darf er annehmen, Einblick haben - und Überblick. Sie nehmen ihm die Vorauswahl ab. In Probebissen servieren sie ihm das literarische Angebot.

Das ist Freundschaftsdienst am Leser.

Aber noch nötiger als der Leser hat der Autor Freundesdienst und Handreichung. Denken wir uns einen jungen Skribenten! Er hat seine Schreibtischschubladen voll mit Manuskripten. Doch kein Verleger will etwas von ihm wissen. Wieder ein Neuling! heißt es, wieder ein Risiko, auf das einzugehen höchstwahrscheinlich nichts als rote Zahlen bringt. Der Autor müßte verzweifeln vor dieser Mauer der Ablehnung, vor dieser Hürde ängstlichen Kalküls. Da kommt ihm die Zeitschrift entgegen. Sie baut ihm - wenn nicht die große Brücke, so doch ein Brücklein, einen Steg in die Öffentlichkeit, in ihre, zugegeben, beschränkte Öffentlichkeit. Immerhin. Der Autor kann nun wahrgenommen werden. Die meisten jungen Schriftsteller haben ihren Weg über eine Zeitschrift genommen.

Nun freilich - eine literarische Zeitschrift ist nicht nur für Poeten da, sondern auch für Poetologen. Sie transportiert nicht nur Literatur, sondern auch Kritik, nicht nur Eingebung und Vision, sondern auch, was Welt und Zeit über diese denken, was sie von ihnen erwarten und mitunter auch fordern. Mit anderen Worten: Hier wird nicht nur das belletristische Phänomen, sondern auch dessen deskriptives Schattenspiel, dessen Spiegelung in der Theorie geboten.

Gut, wenn sich Analytisch-Deskriptives und Kreatives die Waage halten.

In "Literatur und Kritik" halten sie einander die Waage.

Übergewichte werden vermieden, auch in anderer Hinsicht.

Wir leben - oder lebten bis vor ganz kurzem - in einer rabiat innovatorischen Zeit. Keine Vokabel wurde so gern, so häufig, mit so viel Euphorie gebraucht wie die Vokabel VERÄNDERUNG. Was die Kreuzzüge im Mittelalter und die Entdeckerexpeditionen bis in das späte 19. Jahrhundert waren, das ist in der neuesten Zeit der programmierte Zug zum Experiment, der Schub ins Unbekannte, Unerprobte, in eine, wie es scheint, unbegrenzte Verfügbarkeit über alle, auch die disparatesten Elemente. Auch hier Kreuzzüge in grenzenlose "gelobte Länder", Entdeckungsfahrten durch Dschungel, durch Wüsten, ins Packeis - mit dem Ziel neuer Welterkundung und Wahrheitsvermessung. Von wieviel Begeisterung war doch mancher Aufbruch getragen! Und wieviele junge (oder auch nicht mehr ganz so junge) Literaten wollten ihre Ziele in frisch gegründeten Zeitschriften sichtbar machen! Mit einer neuen Zeitschrift, so meinten sie, werde der Durchbruch zu schaffen sein.

Doch leider: nur zu oft strandeten sie wie die sattsam bekannten Kinderkreuzzüge oder so manche andere Entdeckerexpedition. Es hatte hier wie dort am Sinn für Realitäten gefehlt: Zu schwach war die Substanz, zu anfällig das Programm. Man hatte versäumt, Retablierungslager anzulegen und für soliden Nachschub zu sorgen.

Es gehört Weisheit u n d Mut dazu, in unserer euphorisch innovatorischen Zeit das e i n e wie das a n d e r e zu tun, nämlich mit der Moderne fortzuschreiten und dabei den Rückhalt in der Tradition nicht aufzugeben - oder, um es in anderen Worten zu sagen, auf b e i d e n Schultern Wasser zu tragen. Das ist, wie ich meine, "Literatur und Kritik" gelungen, zu ihrem Glück und zum Glück auch ihrer Lese-Gemeinde.

Ihrer Gemeinde..., ja! Denn im Wesen eines periodicums liegt es, auch eine gemeinbildende Wirkung zu entfalten. Die Literaturgeschichte weiß von großartigen Beispielen zu berichten, ich erinnere an die "Horen", die das Glück hatten, von Goethe und Schiller gemeinsam redigiert zu werden, dann aber auch an den "Sturm", ein Sammelbecken der Expressionisten, an die "Frankfurter Hefte" und deren weitausstrahlende großbürgerliche Liberalität, an das "kursbuch", Manifest der bewegten 60er Jahre, an die "Akzente", die für den Kreis um Höllerer bedeutsam wurden. In allen diesen Fällen bildete das periodicum eine Art Kristallisationspunkt für eine Gruppe. Herausgeber und Autoren kannten einander und waren vielfach miteinander befreundet. Nicht selten war der Kitt dieser Gemeinschaften die Aggressivität des Programms, fallweise auch elitärer Hochmut gegen die andersdenkende, anders gestimmte Umwelt - und eben diese autistischen Tendenzen zur Abgrenzung waren auch nicht selten der Grund für frühen Verfall.

Mir scheint: Die Zeitschrift "Literatur und Kritik" hat dagegen einen weniger sensationellen, dafür aber wohltuend irenischen Weg beschritten. Das Programm war nicht bescheiden, aber es g a b sich bescheiden. Gleich im ersten Heft war das Neue mit dem Hergebrachten friedlich vereint: Handke und Artmann neben einer an Hausenstein gemahnenden Meditation über den Wiener, den "geselligen Eigenbrötler" von Hilde Spiel. Magris und Politzer zeigten internationale Verflechtung an, Kruntorad stellte die nie verstummende Frage, ob Kunst "fürs Volk sei". Und so geht es weiter - in schöner Balance zwischen Urzidil und der jungen Mayröcker (sie fehlt in fast keinem Jahrgang); zwischen Canetti und Jandl, zwischen Nabl (noch ehe Handke ihn wiederentdeckte) und Elfriede Jelinek. Viele Namen tauchen immer wieder auf: Kurt Klinger, Jutta Schutting, Michael Scharang, Rose Ausländer...; und so ist es auch richtig: Der Leser will sich ja über die Entwicklung eines Werkes unterrichten, er will mit "seinen" Autoren im Kontakt bleiben.

Daneben hat eine Zeitschrift noch andere Aufgaben. Kostbare Funde werden an Land gezogen, Relikte aus Nachlässen; einmal ein unveröffentlichtes Gedicht von Trakl, einmal unbekannte Briefe von Hofmannsthal, Notizen von Schnitzler und so fort - durch zwanzig Jahre.

Eine unendliche Summe von Arbeit steckt in einer solchen ununterbrochen dahinwebenden literarischen Bestandsaufnahme. Die Herausgeber einer solchen Zeitschrift, die Jahr für Jahr einen Umfang von 600 Seiten erreicht, müssen einen guten Teil ihrer schriftstellerischen, aber auch einen Teil ihrer persönlichen Existenz in dieses Unternehmen einbringen - oder sollen wir besser sagen? - hineinopfern.

Sie haben ohne Engherzigkeit zwischen Innovatorischem und In-der-Tradition-Befestigtem wechselweise auszuwählen, sie haben auch fremden Literaturen Zutritt zu gewähren, vor allem solchen aus den Nachfolgestaaten der alten Monarchie. Die Herausgeber von "Literatur und Kritik" haben das Österreichische profiliert, ohne in eine kleinkarierte Austromanie zu verfallen, und sie haben vor allen Dingen gewußt, den raschen Verschleiß zu vermeiden, der so vielen publizistischen Versuchen den Garaus macht.

Was ist schon eine Zeitschrift, die nach drei, vier oder fünf Nummern dahinstirbt, anders als ein mißglückter Start, ein Luftsprung, der danebengeht und zumeist in den Bitterkeiten einer Enttäuschung, wenn nicht gar einer Entzweiflung endet? - Zwanzig Jahre dagegen - und 200 gut ausgewachsene Nummern überzeugen davon, daß sich hier etwas Gutes und auch Nötiges etabliert hat. Mag die erste und grundlegende Leistung bei den Autoren liegen, wie wenig wäre davon in die Öffentlichkeit gelangt ohne die Leistung der Herausgeber, ohne die Leistung auch des Verlags, ohne die Leistung elastischer Beständigkeit und unermüdlich wachsamer Hege?

 

Bild mit Hugo

in: Literatur und Kritik, Salzburg 1979, 135/136, p. 283

Ich schlage eine Monographie von Hoffmannsthal auf, da ist ein Bild, ein Photo aus der Mitte der achtziger Jahre: Die Großmutter mit Hugo. Der Anblick verschlägt mir den Atem. Ein Sekundenbild. Aber in ihm steckt die Formel eines langen Lebens, eines großen Werks, einer hochgeführten, in gewisser Weise einzigartigen, aber prekären Existenz.

Hugo ist auf diesem Bild ein Knabe von etwa zehn Jahren. Er sitzt auf einer Steinbalustrade, die alte Frau steht hinter ihm, ein besorgter Schutzengel, der das kostbare Jungchen hütet. Die beiden sind im Freien, ihren Kleidern nach zu schließen ist es Herbst oder Frühjahr, eine mittlere Jahreszeit. Die Frau, eine rundliche Fünfzigerin, sieht energisch, lebenslustig und lebenszugewandt aus, der Hut mit Band und Blumen ist aus der Stirn geschoben, das Kleid sitzt prall, unter das Doppelkinn ist eine gewaltige Masche gebunden. Eine Großmutter wie tausend Großmütter damals, eine selbstbewußt aufgeplusterte Familienglucke.

Aber der Knabe: er ist zweifellos die Hauptperson auf diesem Bild, seinetwegen, so meine ich, wurde es aufgenommen. Er hat sich auf der Balustrade postiert (oder wurde postiert) mit herabbaumelnden Beinen, die er aber anmutig zu kreuzen weiß, mit dem rechten Ellenbogen stützt er sich auf den Pfeiler, lässig-fürstlich, ein Prinzchen. So gerade hält er sich, so kavaliersmäßig balanciert er auch das Stöckchen in der Rechten, Stöckchen mit Elfenbeingriff, auf dem Kopf sitzt ihm ein kleines, elegantes Melönchen, der schmalkrempige Reiterhut aus schwarzem Filz. Sein Anzug ist aus dunklem Samt, aber kleidsam hell passepoiliert mit angeschnittenem Capechen und zierlichem Knopfbesatz. Die Hosen sind kurz, nach Pagenart, die Beine stecken in dünnen Strümpfen, die beschuhten Füße in hellen Knöpfelgamaschen. Ein schönes Kind, ein kleiner Ephebe, auch er selbstbewußt, aber wie anders als seine Großmutter: nämlich seiner selbst bewußt. Mit welchem Anstand er das Stöckchen hält, mit welcher Anmut er das Köpfchen nur leise aus der Achse dreht, wie er, ohne zu einem Popanz zu erstarren, die damals unvermeidliche sekundenlange Belichtungszeit aushält und den Blick, in nachdenklich-kühler sanfter Wehmut verschleiert, verweilen läßt, das ist gekonntes fin de siècle, da ist bereits der Hauch von ganz vergessener Völker Müdigkeit nicht abzutun von den noch kindlichen Lidern, da ist schon die schlanke Flamme da, wohldosiert genährt ein Leben lang, und die schmale Leier. Da ist auch die umständlich inszenierte Liebesabwehr des Schwierigen schon da, die pretiöse Archaik des Turms, vielleicht sogar schon die subtile Bedenklichkeit, die den Brief an Lord Chandos zu einem Jahrhundert-Dokument machte. In diesem Knaben ist das große Wunder früher Vollendung, wie Stefan Zweig formulierte, aber auch der Mann, der, nach Hermann Broch, allüberall auf verlorenem Posten stand, nicht ganz so weit vorne, füge ich hinzu, wie Rilke und Thomas Mann, aber, da auf sehr österreichische Weise mit der Musik verbündet, in geschonterer Zone, alles in allem: poeta felix.

 

Kurt Klinger: Zeitsprung (Gedichte. Otto Müller Verlag, Salzburg 1987)

in: Literatur und Kritik Salzburg 1988, 223/224, p. 175-176

Jede Lyrik von dichterischer Prägnanz hat ihre besondere Art von Bewegung: Rilkes Gedichte bewegen sich geschmeidig, in eleganten Mäandern zwischen dem gepflegten Mobiliar einer alten Kultur; Trakl wälzt Blöcke, Blöcke aus Visionen, Geheimnissen und Schrecknissen, und schichtet sie zu kryptischen Gelassen; Weinheber sehen wir tief Atem schöpfen und mit ausladender Geste in die Leyer greifen (ausgenommen in "Wien wörtlich"). Bei Christine Busta finden wir tröstlich helfende Handreichung; bei Kurt Klinger erlebe ich immer wieder jähe Wendung, überraschenden Umsprung; deshalb vielleicht auch "Zeitsprung" (als Titel seines letzten Gedichtbandes)?

Der Lyriker Kurt Klinger ist nicht sehr weit vom Dramatiker Kurt Klinger und dieser wieder nicht sehr weit vom Dramaturgen K.K. entfernt. Der Historiker ist Arm in Arm mit dem Gegenwartsmenschen K.K. anzutreffen, der mit historischer Substanz Aufgeladene, nicht selten in ihr Schwelgende bekennt sich zu kritischen Vorbehalten und führt zuweilen die Waffe bitterer Ironie; der Liebende ist nicht weit von dem, der "sich der Einsamkeit ergiebt", der Lebensgläubige nicht weit von dem, der den Tod gedanklich vorwegnimmt.

Diese so verschiedenen Klinger stehen einander immer gegenüber und - nomen scheint in diesem Fall wirklich omen zu sein - kreuzen miteinander die Klingen. So bewegt sich die Aussage dieses Autors zwischen Antinomien in ständiger Wendung, im Umsprung. Ohne einander zu verdunkeln steht Bild gegen Bild; ohne einen Umriß zu verwischen, wechseln die Perspektiven. So wird die Spaltung, wird die Zerklüftung sichtbar, die das Wesen der Moderne ausmachen. Das Spiel bleibt todernst, selbst dort, nein, gerade dort, wo es sich satyrisch verhält. Am Rand der Satyre bewegt sich das Titelgedicht "Zeitsprung". Was heißt nun "Zeitsprung"? Das ist eine auf lyrischem Umfeld nicht ganz leicht deutbare Vokabel. Ist die Zeit nicht ein Kontinuum? Wo und wann springt sie entzwei? Worüber springt sie und wohin?

Wer auf weiten Strecken in Richtung der Längengrade unterwegs ist, muß seine Uhr mindestens einmal umstellen: er springt aus der Zeit seines Startraumes in die seines Zielraumes und erlebt damit die Relativität seiner eigenen Lebenszeit. Für den Dichter wird eine solche Flutreise zu einem Abenteuer in einer anderen Dimension.

Der brave alte Springball, die Welt,

nach dem die Fenriswölfe

und die Midgardschlangen schnappen,

versteht es wieder einmal, sich einzunebeln...

Vor uns das klare Nichts,

die Leere...

von der sich, glaubwürdigen Mythen zufolge,

die urtümlichen Götter ernähren. Ihnen genügt es,

als Gemeinschaftsmahlzeit rund um den Unwettertisch

eisige Windstöße einzuatmen...

Doch in die kosmischen Visionen des Dichters fällt die Banalität der realen Reisegenossenschaft ein:

Kann das nicht weiterverfolgen,

denn der Mitmensch neben mir

qualmt mir ins Gesicht

und entfaltet mit knisternden Fingerspitzen

die Financial Times. Hoffentlich tröstet ihn bald

irgendein Kurssturz...

über die Erkenntnis der Sieben letzten Dinge hinweg.

"Die Sieben letzten Dinge" - sie sind dem Dichter freilich immer gegenwärtig, ob er sich selbst "im Regenglas eines nächtlichen Fensters" verzerrt gespiegelt sieht, ob er "groß in Gold die Jahreszahl 1900" auf der Fassade eines Berliner Hauses erblickt, ob er in der "Beschwörung des Grases" (einem sehr schönen Text!) die bewußtlose Natur anfleht, das Land zu bedecken und unkenntlich zu machen, weil "der Brandgeruch über den Folterstätten" noch immer unerträglich ist. Das Gräßliche verlangt nach der radikalen Formulierung, wenn etwa die Obdachlosen von Rom die Nächtigung im winterlichen Freien nicht überleben ("Arme Vögel"). Aber Klingers Lyrik kennt auch den hochpreisenden Ton:

Wie reich werden die Ernten sein,

wenn die Gewitter

zur rechten Stunde kommen.

Die Habichtböen zielen hoch...

("Heller Tag")

Klinger kennt sogar "Ausnahmsweise Zuversicht":

Wenn die Gebirge auf uns fallen,

was wird geschehen?

Wir werden Wurzeln schlagen,

den Stein durchbrechen,

Blätter entfalten,

blühen.

Das Levantisch-Vielschichtige unseres Landes kommt zu Wort in "Ein Schloß in Österreich":

Weiße Statuen,

tönend von Abgewandtsein,

öffnen dem Schlächter, dem Krieg...

heimlich die blühende

Rosenpforte.

Klingers Sprache ist zumeist sinnfällig-bildhaft; doch dann und wann zieht sie sich in dunkel pulsierende Rhythmen zurück:

Auch hier schaue ich in die Nacht.

Auch hier schaue ich in die Nacht meiner Nacht.

Auch hier schaue ich durch Nacht die Nacht...

Auch hier bin ich für mich Nacht für Nacht durchschaute Nacht.

("Enttäuschendes Asyl")

Diesem Autor sind Geschichte, Vorgeschichte, ja, Erdgeschichte sinnfällig gegenwärtig und poetisches Material. Aber sein "Zeitsprung" führt ins Heute und, sofern das möglich ist, auch darüber hinaus. Seine Spannweite ist imponierend. Daß er zugleich in die Tiefe lotet, ist noch mehr; daß seine Sprache farbig, bildhaft und in ihrer Bildhaftigkeit kühn bleibt, ist für den Leser ein Glück. "Die Habichtböen zielen hoch." Hier trägt ein freier Geist über weites Gelände.

 

Der Mann aus Tarsos. Erzählung

in: Literatur und Kritik, Salzburg 1990, 247/248, p. 292-294

Es war geschehen und abgetan. Der Mann aus Tarsos war der letzte, der den Platz verließ. Er hatte keinen Stein geworfen. Doch die Gewänder des Verurteilten waren vor ihm niedergelegt worden zum Zeichen dafür, daß er die Anklage betrieben, daß auf sein Drängen das Urteil gefällt worden war. Der Mann aus Tarsos nahm das hin: Auf sein Betreiben, auf seinen Rat. Nur so, nur so war die Reine Lehre zu retten.

Die Reine Lehre war in Gefahr. Schlimmer denn je erhoben sich Irrtümer, Abfall, Gotteslästerungen. Wer konnte hoffen, sie zu besiegen ohne Feuer und Schwert oder - wie diesesmal - ohne Steinigung? Der Mann aus Tarsos fühlte sich selbst zu Stein geworden.

Geschehen also und abgetan. Andere hatten andere Gründe gehabt, den Prozeß durchzuführen. Der Procurator war nach Rom abgereist, ohne einen Vertreter zu ernennen. Dieser Augenblick, hatten einige befunden, sollte genützt werden; das Synhedrion sollte ihn nützen, um von neuem das gute alte heilige Recht anzumelden, das über Leben und Tod. Die Römer hatten es entwendet, an sich gezogen und beschlagnahmt wie eine Steuer oder Maut. Was sie der Tempelbehörde gelassen hatten von der Großen Gerichtsbarkeit, war nur noch deren elende Fratze: Bestrafung von Roßtäuschern, Schafdieben, säumigen Schuldnern. Das schmerzte. Drum schien die Interprocuratur eine Gelegenheit, sich des alten Rechts zu bedienen. Und sollte es Einspruch geben von seiten Roms, so konnte man sagen, Rebellion sei im Anzug gewesen, nicht zu duldende, gegen den Cäsar. Nur aus Treue zum Cäsar habe man rasch gehandelt.

Solche Hinweise wirkten. Sie wirkten immer. Die Römer wußten: sie saßen auf den Spitzen ihrer Schwerter. So ließen sie sich belügen, wenn es nur in der Maske der Ergebenheit geschah. Das war der Grund, der Stephanus, dem Armenpfleger, den Stab gebrochen hatte. Das Mahlwerk der politischen Intrige hatte ihn eingesogen.

Der Mann aus Tarsos dachte anders. Er verachtete Intrigen, Winkelzüge und die Versuche, die Römer zu hintergehen - so gut wie die Versuche, ihnen zu schmeicheln. Er haßte Machenschaften, er haßte Klugkeiten. Machenschaften und Klugheiten, so glaubte er zu wissen, zehrten an der Kraft der Reinen Lehre. Nur das Unbedingte konnte die Lehre retten. Das Unbedingte war Israels Sendung.

Also geschehen und abgetan, mit gutem Recht, nach Moses Satzung. Stephanus war ein Lästerer. Einen Toten hielt er für lebendig und Israel für blind und unwissend; ein Messias sei ihm erschienen, es habe ihn nicht erkannt. Er aber werde wiederkommen, auf Wolken des Himmels, Menschensohn, Gottessohn, vielleicht schon morgen...

Der Mann aus Tarsos hatte Stephanus selbst einvernommen. Aus seinem Mund hatte er das Lästerliche gehört. Du bist des Todes, hatte er geschrien, und jener darauf: So will ichs.

Der Abend kam, die Luft war bleiern, bleigrau der Himmel, wolkenfedrig. Bleigrau und braun Fels und Geröll, in dem die Wüste hier übergriff vor der Stadt ins Frucht- und Gartenland. Bleigrau und schwärzlich braun waren auch die niedrigen Mauern, die, aus Feldsteinen geschichtet, den Hang in schräge Gevierte zerlegten. Da kroch in dem einen ein Dutzend Rebstöcke, dort krümmten sich Ölbäume, graubleich bestaubt. Nirgends sproßte Saat, drängte Gras hervor, junges Kraut. Dürre herrschte, Dürre noch immer mitten im Winter, wo in anderen Jahren schon Regen fiel, Grünes hervorschoß, Fülle keimte.

Heuer - der Himmel versiegelt, gleichsam mit Blei.

Der Mann aus Tarsos runzelte die Brauen. Warum verschloß sich Jahwe seinem Volk? Zürnte er? Zürnte über Abfall, Irrtum, Lästerung, zürnte vielleicht noch mehr wegen Machenschaften und Winkelzügen? Der Mann aus Tarsos ächzte auf. Gedachte Jahwe, sein Volk zu verlassen, nur weil es leben wollte wie andere Völker auch, in halben Hoffnungen, mit kleinen Freuden - wie Kinder, von Tag zu Tag, Stunde zu Stunde? Wollte Jahwe sein Volk verfluchen, weil es zu schwach war, sich den Stachel der Reinen Lehre ins eigene Herz zu stoßen, diesen glühenden Stachel vom brennenden Dornbusch der Welt?

Geschehen und endlich abgetan. Der Mann aus Tarsos hatte gehofft, er werde danach etwas wie Erleichterung empfinden und werde im Gefühl der Erleichterung weggehen und zurückkehren können in die Stadt. Nun saß er da vor den Kleidern des Toten, zwei Schritte von dem Felsrand entfernt, unter dem er lag. Der Mann aus Tarsos hatte noch nicht gewagt hinunterzublicken. Nun schob er sich vorwärts: einmal wollte er ihn doch sehen. Er kniete auf den Kleidern, nun sah er ihn. Der nackte Körper schimmerte weißlich aus dem Geröll, auf dem Rücken liegend, hintüber geworfen, aber nicht entstellt, nicht einmal blutig. Vielleicht war er schon tot, ehe sie begannen ihn zu bewerfen. Das war auch der Sinn der Vorschrift, die Verurteilten, an allen Gliedern gebunden, zuerst von einer Mauer oder einer Felswand hinabzustürzen. Der Verurteilte sollte betäubt sein, ehe der Hagel der Steine auf ihn niederging. So wollte es das Gesetz, das Bedacht darauf nahm, nicht nutzlos zu quälen, und noch mehr Bedacht darauf nahm, keinem zu erlauben, daß er nutzlos quäle. So wachte das Gesetz über Schuldige und Richter, über Verurteilte und Henker, Jahwes Gesetz, geheiligt werde sein Name!

Der Mann aus Tarsos schloß die Augen. Ihn schwindelte hinabzublicken in die Grube. Er hatte den Schrei des Stürzenden vernommen: Jeschua, Jeschua! - Und einer der Umstehenden hatte gerufen: - Seht doch, seht! Sein Gesicht hat geleuchtet! - und ein zweiter und dritter: Geleuchtet! Geleuchtet! - und einer von ihnen war winselnd davongerannt.

Der Mann aus Tarsos zwang sich, noch einmal in die Grube hinabzublicken. Nun gewahrte er, was ihm zuvor nicht aufgefallen war: Der Tote lag mit weitausgebreiteten Armen wie ein Gekreuzigter. - Wie das, da er doch an allen Gliedern gefesselt hinabgestürzt worden war?-

Eine Erinnerung durchzuckte Schaulus Gehirn: Was jener Nazaräer Jeschua nicht ans Kreuz geschlagen worden? So wäre der Jünger dem Meister gefolgt, mit ausgebreiteten Armen, wie er es wollte, - geheimnisvoll, ein Spiegelbild -?

Der Mann aus Tarsos schlug den Gedanken in sich nieder, wie man ein angreifendes Raubtier niederschlägt mit Fäusten, Tritten, voll Angst und Wut. Er haßte sich selbst dafür, daß ihn der Anblick des Toten verwirrt hatte. Was war er denn weiter als Aas, den Vögeln des Himmels preisgegeben? Und war die Fessel zerrissen, die seine Arme gebunden hatten, so lag´s am Hanf, aus dem sie gedreht war; und hatte einer geschrien, sein Gesicht habe geleuchtet, im Sturz - so lag´s an Täuschung und Wahn oder, weil der Blitz der Verdammung über ihm zuckte.

Der Mann aus Tarsos verließ seinen Platz. Er bebte. Wanken folgte er dem Rand der Grube und begann den Abstieg. In seinen Augen brannte der Schweiß, der ihm in Tropfen unter der Kappe herablief. Er fingerte an den Tephilim, die er nach Vorschrift trug, einen an jeder Schläfe, einen hinter den Ohren, neun an der Brust, mrumelnd zählte er ab, dreizehn die Zahl, keiner fehlte, so war er gewappnet, gewappnet mit dreizehn Psalmen, dreizehn Gebeten, David und Korah, Assaph und Ethan, also gewappnet; wer sonst gewappnet, wenn nicht Schaulus?

Ein Schatten, schwärzlich, wischte über den Himmel. Der erste Geier. Mit klatschenden Flügeln fiel er hinten ein. Der Mann aus Tarsos nickte. Bald würden dem ersten andere Geier folgen, die Grube füllen, den Körper decken, zudecken, daß dort einer lag, hintüber gebeugt mit geöffneten Armen.

Am Himmontor stand er still. Es war schon geschlossen. Der Klöpfel dröhnte. Der Kopf des Wächters erschien in der Luke. Als er den Rabbi erkannte, beeilte er sich zu öffnen.

Knarrend schwang die kleine Pforte nach innen.

Der Mann aus Tarsos bückte sich unter die Öffnung, stieg über die hohe Schwelle, dabei trat er auf den Saum eines Mantels, den er über dem Arm trug, nicht wissend, daß er ihn trug. Der Mann aus Tarsos starrte auf das fremde Gewebe, woher gekommen? woher genommen? Dann riß er es von sich, warf es zu Boden, entsetzt, als wär es ein Bündel Schlangen. Hastig stieg er darüber weg.

Kaum war einige Schritte geflohen: - Rabbi! Rabbi! -

Er lief noch schneller.

- Rabbi, dein Mantel, du hast ihn verloren.-

Noch schneller, schneller.

Eifriges Trappeln knapp hinter ihm. Die Hand, die seinen Ärmel ergriff, stieß er weg.

- Dein Mantel, Rabbi!-

- Laß mich! Behalt ihn. Behalt ihn!-

Keuchend erreichte er die Herberge.

Mit umnachtendem Blick nahm er wahr, daß ein Herdfeuer brannte. Daran wird ein Kienspan entzündet, eine Öllampe angesteckt. Demütig meldete eine Stimme, Nachricht sei gekommen.

Nachricht, von wem?

An der in Sackleinen verschlossenen Tafel hing das Siegel der Tempelbehörde.

Wachs bröckelte. Über das Licht geneigt, las er:

An Schaulus, Rabbi aus Tarsos. - Alles bereit: Knechte, Pferde, Waffen. Brich mit dem Frühesten auf. Man erwartet dich schon in Damaskus.

 

"Alle waren frommer und glücklicher als ich.." Über Franz Michael Felders Lebensbericht

in: Montfort, Dornbirn 1971, Heft 4, p. 477-485

 

Der Vater. Marginalien zum Lebensbericht "Ein Spiegelbild mit Feuersäule"

in: Montfort, Dornbirn 1979, Heft 4, p. 316-318

 

Qual, als Wohltat serviert. Zur Diskussion um das strafrechtliche Abtreibungsverbot

in: Stimmen der Zeit 1973/12, p. 811-819

 

Über die Menschenwürde. Anatomie eines Leitbilds

in: Stimmen der Zeit 1977/8, p. 513-525

 

Die Vorläufer (von Spartacus bis Fadinger)

in: Oberösterreichische Heimatblätter, Linz 1975, Heft 3/4, p. 123-132

 

An allem ist die Schule schuld

in: Oberösterreichische Schulblätter, Linz 1978 (Dezember), p. 6-7

 

Bild und Botschaft

in: Theologisch-praktische Quartalschrift, Linz 1979/4, p. 341-350

 

Kultur und Christentum

in: Unser Dom, Graz 8/1980, o.S.

 

Ein Interview

in: Die Rampe, Linz 1/1982, p. 7-16

 

Poetische Notationen zum langsamen Untergang eines Reiches. Ferdinand Saar zu seinem 150. Geburtstag

in: Die Rampe, Linz 2/1983, p. 110-129

 

Berliner Notizen

in: Die Rampe, Linz 1/1990, p. 134-154

 

Wissenschaft und Kunst, Problemgeschwister

in: P.E.N. Informationen 9/1982, Wien, p. 6-13

 

Diese zarte Osmose bleibt uns gestattet

in: P.E.N. Informationen 12/1984, p. 21-25

 

Zwei Gedichte von Christine Busta

in: P.E.N. Informationen 13/1985, p. 29-36

 

Von einem Widerspruch ausgehend

in: Podium, Baden 1984, p. 4

 

Partikel und Chiffren: Ernst Jünger

in: Morgen 40/1985, p. 107-109

 

Katastrophen und Chancen unseres Jahrhunderts

in: 1945-1985, Verlust der Heimat, Aufgabe für Europa. Ackermann Gemeinde, Heft 33, München 1986, p. 14-25

 

Die Dichter und ihr Gott. Ein Werkstattbericht

in: Zeitwende, Karlsruhe 1986/4, p. 234-248

 

Wien, die Witwe, die nicht mehr ganz so lustig ist

in: Boehringer Kreis, Mannheim 2/1987, p. 24-36

 

Der Künstler und sein Gott

in: Pressereferat der Erzdiözese München-Freising 1987, p. 14-25

 

Ein Dach überm Kopf oder: Wie wir Haller wurden

in: Das Fenster, Innsbruck 1988, Heft 44, p. 4347-4349

 

Spurenelemente des Christlichen in der Literatur

in: ibw Journal, Zeitschrift des Deutschen Instituts für Bildung und Wissen, Paderborn 1989/10, p. 20-23

 

Vor fünfundsiebzig Jahren ist sie gestorben - Marie von Ebner-Eschenbach

in: Sudetenland, 1991/2, p. 98-103

 

Ansprache zum Weltfriedenstag

in: Diözesanblatt des Österreichischen Militärordinariates, Wien 1991/2, p. 4-9

 

 

Beiträge in Tages- und Wochenzeitungen (eine Auswahl)

Joyeuse. Geschichte einer Kinderliebe

in: Salzburger Nachrichten, 09.06.1951

 

Ernst Jünger, Typus und Gestalt, Extrakt einer Lebensarbeit und Untersuchung ihrer geistigen Voraussetzungen

in: Salzburger Nachrichten, 19.09.1964

 

Ehre dem Meister, Zu Friedrich Georg Jüngers 70. Geburtstag am 01. September

in: Salzburger Nachrichten, 31.08.1968

 

Das konnte nur der Engel gewesen sein

in: Salzburger Nachrichten, 24.12.1969

 

Fast alles über Wien. "Spektrum einer Stadt" nach dem Geschmack Hilde Spiels

in: Salzburger Nachrichten, 10.07.1971

 

Abschied zu den Maulwurfshügeln (Günter Eich zum Gedächtnis, Frankfurt/Main)

in: Salzburger Nachrichten, 16.03.1974

 

Kernenergie in unkalkulierbarem Raum

in: Salzburger Nachrichten, 31.12.1976

 

Viele gingen durch seine Schule, Ein Achtziger - Ernst Jünger zum 29. März 1975

in: Salzburger Nachrichten, 29.03.1975

 

Himmelsbilder hängen herab

in: Deutsche Zeitung, Weihnachten 1960

 

Die blaue Rose

in: Wiesbadener Kurier, 05.06.1965

 

Der Zauberer auf dem Olymp. Erinnerungen an Thomas Mann

in: Saarbrücker Zeitung, 07./08.08.1965

 

Anatomie eines Leitbildes. Die Frage nach der Menschenwürde einmal gründlich beim Wort genommen

in: Die Presse, 29.-31.05.1971

 

Ratloser Brief einer längst Emanzipierten

in: Die Presse, 24.-26.12.1971

 

Harter Kern der Poesie

in: Die Presse, 13.06.1972

 

Der schöpferische Augenblick - ein Kurzschluß. Gespräch mit Ernst Jünger im heimatlichen Wilflingen zu seinem 90. Geburtstag

in: Die Presse, 30./31.03.1985

 

Beide Hände auf den Tisch. Zum Ingeborg-Bachmann-Literatur-Wettbewerb 1986

in: Die Presse, 03.07.1986

 

Wandernde Leichen

in: Die Presse, 17./18.08.1991

 

Der weiße Fleck in uns. Warum wir das Sterben und den Tod verdrängen

in: Deutsche Zeitung, 19.11.1978

 

Mein schönstes Weihnachtsgeschenk

in: Die Furche, Wien 22.12.1978

 

Ein Lehrmeister für das Feiern

in: Die Furche, Wien 31.05.1986

 

In der Tiefe Rumäniens

in: Die Furche, Wien 31.05.1990

 

Was ist eine Kulturlandschaft?

in: Neue Presse, Passau 1982